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© Lois Lammerhuber

EIN NOBELPREISTRÄGER am Stehplatz

Anton Zeilinger, der neue österreichische Nobelpreisträger für Physik, war nicht nur Statist an der Wiener Staatsoper, sondern verbrachte auch Zeit am Stehplatz des Hauses. Aus Anlass seiner Ehrung: seine Erinnerungen an diese Zeit.

Meine Staatsopern-Anfänge liegen in meiner Gymnasialzeit. Damals fing ich an, regelmäßig auf den Stehplatz zu gehen, wobei ich dazusagen muss, dass ich hochspezialisiert war, das heißt: Ich besuchte, bis auf wenige Musikvereins-Ausnahmen, immer nur den Stehplatz der Wiener Staatsoper. Ein paar Jahre lang, vor allem auch während meiner Studienzeit, war ich dort wöchentlich anzutreffen. Mit ein paar Freunden stellte ich mich oftmals, wie es damals üblich war, lange vor den eigentlichen Vorstellungen an, wenn es sein musste, wechselten wir einander in der Schlange ab. Rückblickend kann ich sagen, dass mir dieses Anstellen und Warten niemals als Last vorgekommen ist, sondern es gehörte einfach dazu und steigerte die Vorfreude auf das Kommende. Und ich glaube, es gab keine einzige Wunsch-Aufführung, in die ich letztendlich nicht reingekommen wäre. Es ging mir damals nicht um einzelne Sängerinnen und Sänger oder Dirigenten, sondern immer um die Musik: Ich pilgerte also nicht in die Oper, um ganz spezielle Künstler*innen zu erleben, sondern genoss einfach die Klänge, die Musik. So ist es auch naheliegend, dass ich zu keiner der mitunter geradezu »ideologischen« Gruppen gehörte, die einen Sänger besonders bejubelten, dafür aber einen anderen mit Buh-Orkanen verdammten. Was nicht bedeutet, dass wir nicht auch am Jubel teilnahmen, wenn es uns besonders gefiel! Ich kann mich erinnern, dass wir an manchen Abenden an die dreißig oder vierzig Vorhänge erklatschten – aber es ging uns dann um die gesamte Aufführung, um die Sache also und nicht um einzelne Protagonisten oder Parteikämpfe. Und obgleich ich den Stehplatz weniger als sozialen Treffpunkt ansah, kann ich mich an ein gemütliches Ausklingen im Gösser-Keller (den es heute nicht mehr gibt) erinnern, bei dem wir über das Erlebte plauderten: ein Seidel Bier kostete damals noch 1,70 (Schilling! Nicht Euro), ein Krügel 2,70… Da ich mich eben besonders für die Musik interessierte, besorgte ich mir Klavierauszüge und Partituren der wichtigsten Opern und las immer wieder während der Vorstellung mit, so wie ich mir auch öfters einen Platz suchte, von dem ich eine gute Sicht auf den Dirigenten hatte. Und ich entdeckte damals schon etwas, was sich durch mein späteres Leben als Wissenschaftler ziehen sollte – durch das Konzentrieren auf die Musik kamen mir immer wieder Ideen und Einfälle, die nichts mit der Musik zu tun hatten, die mir aber in meinem eigentlichen Arbeitsbereich weiterhalfen. Parallel zu meiner Stehplatz-Zeit trat auch noch eine andere Staatsopern-Erfahrung in mein Leben, jene als Statist bei einigen Produktionen. Ich erinnere mich noch an einen Lohengrin von Wieland Wagner, eine Aida, Tosca und einen Palestrina – bis heute meine absolute Lieblingsoper, sowohl das Inhaltliche wie das Musikalische betreffend. Und obwohl ich mich eigentlich nie so sehr für das Szenische interessierte, hatte sich mein Bezug zu diesen Opern durch die Proben, die ich miterlebte, durch mein Mitwirken auf der Bühne, einfach durch mein Dabeisein signifikant verändert. Ich lernte sie so genau kennen, dass sich mir eine gänzlich neue Tiefe der Musik erschloss, ich hörte mit einem ganz anderen Ohr zu: und das hat sich bis heute erhalten!

→ Dieser Beitrag erschien erstmals Juni 2015 im Magazin der Wiener Staatsoper.