Cookie-Einstellungen

Dieses Tool hilft Ihnen bei der Auswahl und Deaktivierung verschiedener Tags / Tracker / Analysetools, die auf dieser Website verwendet werden.

Essentiell

Funktional

Marketing

Statistik

Drei Überlegungen zu Mozart

»Man braucht ein ganzes Leben, um alleine das Finale des zweiten Akts zu verstehen.« (Adorno)

Andrè Schuen: Das kann ich nur bestätigen! Auch das lange Rezitativ zwischen Contessa, Susanna und Figaro am Anfang des zweiten Aktes ist schon eine Herausforderung beim Entziffern! Oder die verschiedenen »Schreiben«, die in der Handlung vorkommen, auseinanderzuhalten.

Philippe Sly: Inwiefern verstehen? Ein Leben des Studierens oder ein Leben des Aufführens? Ich weiß: Das Finale ist einer meiner liebsten musikalischen Momente der westlichen Musik und es ist immer eine Freude, diesen Moment zu erleben, zu singen und zu verkörpern. Man wird nicht müde an diesem besonderen Juwel. Aber muss ich es »verstehen«, um es zu schätzen?

Federica Lombardi: Ich könnte dieser Aussage nicht mehr zustimmen! Der zweite Akt ist sehr komplex, er beginnt mit einem Duett, geht in ein Trio über, dann ein Quartett, ein Quintett, um schließlich in ein Ensemble von sieben Figuren zu münden. Zu dieser musikalischen Komplexität, die sich zu einer wunderbaren Klangwelt entfaltet, muss man die Psychologie jeder einzelnen Figur hinzufügen, die sich in 20 Minuten Musik verändert und weiterentwickelt: Jede Figur lebt ihre eigene Geschichte mit all den Wendungen, Intrigen und den zahlreichen Interpretations-Nuancen, die tatsächlich ungemein vielfältig sind.

Virginie Verrez: Ich habe das Finale des zweiten Akts oft gesehen und jedes Mal lache ich so sehr, dass mein Gesicht schmerzt! Ich brauche keine intellektuelle Analyse, um zu lachen!

»Da Pontes Nozze di Figaro ist weniger politisch, dafür aber psychologischer als die Vorlage von Beaumarchais.« (Felsenstein)

Philippe Sly: Möglicherweise. Jedes Kunstwerk entwickelt sein eigenes Leben und gewinnt seinen eigenen Sinn, und immer stellt sich die Frage nach der Interpretation dieses Lebens und des Sinns. Beide Fassungen – von Beaumarchais und Mozart/Da Ponte – bergen ausreichend Tiefe und Frische, um es mit unserem, sich laufend verfeinernden Verständnis der Conditio humana aufzunehmen.

Andrè Schuen: Von meinem Gefühl her würde ich Herrn Felsenstein zustimmen! Die Gesellschaftskritik ist bei Mozart schon noch da, aber nicht so präsent wie bei Beaumarchais. Die Beziehungen zwischen den Figuren bekommen bei Mozart noch einmal eine zusätzliche Ebene. Harnoncourt hat oft gesagt Mozart vertone den Subtext. Das trifft es für mich sehr gut!

Virginie Verrez: Die Musik gibt dem Wort eine zusätzliche Kraft. Durch sie dringt Beaumarchais Botschaft in unser Bewusstsein ein, ohne dass wir es merken!

Federica Lombardi: Mozart zeigt in Nozze seine Fähigkeit, durch die Musik die Vielfalt des Agierens und Interagierens jeder einzelnen Figur abzubilden. Sei es durch eine einfache »Siciliana«-Melodie, mit der er uns eine Geschichte erzählt, die nur Barbarina kennt, oder wenn er uns die Einsamkeit und Verzweiflung der Gräfin spüren lässt, eine Figur, die vielleicht auf den ersten Blick verletzlich erscheint, aber gleichzeitig voller Kraft und Entschlossenheit ist. Mozarts Musik drückt die Psychologie des Konflikts, den jede Figur durchlebt, in höchstem Maße aus.

»Im Reichtum seiner Einfälle ist nur Shakespeare mit Mozart vergleichbar.« (Friedell)

Federica Lombardi: Ich denke, dass Mozarts Reichtum nicht nur in der Genialität, mit der er Musik und Worte verbindet, liegt, sondern auch in der Fähigkeit der perfekten Ausformung von Gefühlen. Man muss sich fragen, ob ein anderer Künstler es hier mit ihm aufnehmen könnte? Es geht nicht nur um die unvergleichliche Vielzahl an Möglichkeiten, eine Geschichte durch Musik zu erzählen, sondern auch darum, Einblicke in seine eigene Persönlichkeit zu geben, in seine Virtuosität als Interpret und vor allem in seinen unermüdlichen Willen, voranzukommen und seine Kunst auf die nächste Stufe zu heben.

Philippe Sly: Diese Frage ist eine Falle!

Virginie Verrez: Ich habe eine Schwäche für Molière – aber das ist vielleicht nur die Französin in mir!

Andrè Schuen: Ich bin kein Shakespeare-Experte, aber zu Mozarts Einfallsreichtum braucht man nicht allzu viel zu sagen, da reicht es z.B. eben in das Finale des 2. Akts hineinzuhören.