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DER prägende MOMENT

→ Nina Stemme singt am 21. März ein Solistenkonzert mit Werken von Richard Wagner, Sigurd von Koch, Gustav Mahler und Kurt Weill. Im April ist sie als Ortrud (Lohengrin) zu hören.
 

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Text Nina Stemme

Spricht man über frühe Erlebnisse professioneller Musikerinnen und Musiker, erfährt man meist von sehr beeindruckenden, einschlagenden und alles überstrahlenden Augenblicken. Bei mir hat es anders angefangen. Als kleines Kind, also viele, viele Jahre, bevor mir überhaupt nur ein Gedanke an den Beruf der Sängerin in den Sinn kam, besuchte ich zum ersten Mal eine Opernvorstellung: La bohème an der Oper in Stockholm. Ich war sechs Jahre alt und verstand die Handlung nicht so richtig – und doch hat mich die Geschichte auf der Bühne immerhin so bewegt, dass ich mich bis heute daran erinnern kann. Doch wirklich einschneidend, so, dass sich in mir der Wunsch, Musikerin zu werden, entzündet hätte – das war der Abend nicht. Nicht anders das erste Konzert, das ich mit meinem Vater besuchte: es langweilte mich, um ehrlich zu sein, ein wenig. Andrés Segovia musizierte, heute kann ich sein wunderschönes Spiel schätzen, doch damals war ich nur erstaunt, wie man mit einer einzigen Gitarre einen ganzen Saal akustisch füllen kann.

Tatsächlich prägend wurde es etwas später, als ich im hölzernen Cirkus-Saal in Stockholm Vater und Sohn Oistrach erlebte. Damals, obwohl ich mein Geigenstudium noch gar nicht begonnen hatte, fing ich an, etwas von dem Zauber und dem Geheimnis der Musik zu begreifen.

Etliche Jahre danach stand ich zum ersten Mal selbst auf einer Bühne. Ich sang im Chor in Carl Orffs Der Mond und war – fälschlicherweise – überzeugt, dass mich ohnedies keiner sähe. Aber an diesem Abend hat es mich gepackt: Ich fühlte, wie schön es ist, gemeinsam, im Chor, auf einer Bühne zu singen, und ich fühlte: eine unglaubliche Freiheit. Zuvor musste ich beim Vorsingen noch versprechen, ja niemals Oper zu singen, weil diese angeblich so gefährlich für die Stimme wäre. Und ich erinnere mich an unseren Chorleiter, der uns so sanft und vorsichtig eingesungen hat. Ich würde sagen, dass damals etwas in mir erweckt wurde.

Wieder einige Zeit später: Ich absolvierte in den USA, in der Highschool ein Vorsingen für den All Virginia State Chorus und stand förmlich unter Schock, als ich das Ergebnis erfuhr: von 2000 Studentinnen und Studenten hatte ich die zweithöchste Punkteanzahl errungen. Dabei dachte ich doch stets, dass ich eine hässliche Stimme hätte... In einem kleinen Konzert der städtischen Musikschule sang ich damals erstmals einen, von einer Gitarre begleiteten, Soloabend. Eine Entdeckung für mich! Wie nahe man einem Publikum kommen kann und wie eng der Kontakt mit den Zuhörerinnen und Zuhörern ist! Und dass ich als Solistin einfach etwas zu erzählen habe! Doch noch immer stand meine Zukunft als Sängerin nicht fest, nicht einmal, als ich beim Operalia-Wettbewerb 1993 antrat. Ich tat es, weil ich die Musik so liebte, nicht, weil ich an einen Sieg glaubte. Doch dann, als ich Elsas »Einsam in trüben Tagen« sang, da prägte sich mir das Bild dieses wunderbaren Saals des Palais Garnier, mit seiner außergewöhnlichen Decke, tatsächlich intensiv ein – und ich habe es lange in meinem Herzen getragen. Es gab mir Mut, den Weg, der nun vor mir lag, zu meistern.