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Der Gott der italienischen Oper

Mitunter genügt der Name, um Persönlichkeit, Wirken und Eigenheit eines Künstlers zu beschreiben. Dies trifft mehr als auf jeden anderen Sänger auf ihn zu: KS Plácido Domingo. Sein Name ist bereits Programm und wohl keiner, der mit ihm nicht Einzigartiges auf der Bühne erlebt hätte und dem nicht vieles beim Klang seines Namens einfiele. Zu seinem großen Staatsopern-Repertoire fügte der Sänger im Mai 2014 die Partie des Nabucco hinzu, die er nun erneut interpretiert. Oliver Láng sprach vor dem damaligen Rollendebüt mit dem großen Sänger und Darsteller.

Mit dem Nabucco gelang Giuseppe Verdi sein eigentlicher Durchbruch als Opernkomponist. Haben Sie bei Aufführungen dieser Oper ein besonderes, „heiliges“ Gefühl? Gewissermaßen: Das ist die Geburtsstunde des Musikdramatikers Verdi…
KS Plácido Domingo: Verdi ist für mich – und sicherlich nicht nur für mich! – der Gott der italienischen Oper. Seine „Stimme“ ist bei Nabucco bereits sehr stark. Verdi weckt in mir, grundsätzlich, egal welche Oper ich von ihm singe, ganz besondere Emotionen – und einen besonderen Sinn für Verantwortlichkeit. Nabucco gewinnt seine späte Erkenntnis durch Hybris und Leid.

Ist das eine menschliche Grundbedingung? Dass man Erkenntnis oftmals durch ein „Erleiden“ gewinnt?
KS Plácido Domingo: Ja, es kann sein, dass Schmerz und Leid einen Menschen wachsen lassen, obgleich die meisten von uns versuchen, Schmerz und Leiden zu vermeiden. Ich sage immer: Ebenso gerne, wie ich es im Leben genieße glücklich zu sein, schätze ich es auf der Bühne zu leiden. Und die Rolle von Nabucco gibt mir sicherlich genügend Möglichkeiten zu leiden!

Wenn Sie einen Abend als Nabucco durchleben – leben Sie seinen Weg mit? Fühlen Sie sich zuletzt erkenntnisreicher, weiser?
KS Plácido Domingo: Ich versuche jede Rolle zu durchleben während ich sie spiele, und jede große Partie macht mich auf die eine oder andere Weise reicher. Aber am Ende des Abends werde ich wieder Plácido, und ich bin froh, nicht der König von Babylon zu sein: er hat einfach zu viel langweilige administrative Aufgaben zu erledigen!

Verdi schrieb den Nabucco an einem traurigen Punkt seines Lebens: Er litt unter dem Verlust seiner Ehefrau, die ein Jahr zuvor gestorben war, und als Komponist hatte er zuvor einen Misserfolg hinnehmen müssen. Ist dieser Lebensschmerz aus dem Nabucco herauszuhören?
KS Plácido Domingo: Jeder kreative Künstler ist das Ergebnis seiner oder ihrer gesamten Lebenserfahrungen, aber es wäre falsch, bestimmte Ereignisse eines Künstlerlebens in bestimmte Werke hineinzuinterpretieren. Künstler haben oftmals in größten Glücksmomenten Tragödien geschrieben und in Augenblicken der Trauer Komödien – es muss also nicht zwangsläufig eine direkte Verbindung geben. Und genaugenommen war es ja so, dass Verdis vorhergehende Oper, Un giorno di regno, eine Komödie, unmittelbar nach dem Tod seiner geliebten Ehefrau geschrieben wurde. Er hatte einen Auftrag sie zu verfassen, und er machte es – unabhängig von seiner eigenen emotionalen Verfassung.

Wie waren Ihre bisherigen Erfahrungen mit der Rolle?
KS Plácido Domingo: Es ist eine sehr schwierige, komplexe Rolle, und alles was ich sagen kann ist, dass ich – wie bei allen meinen Partien – in der Gestaltung des Nabucco immer mein Bestes gebe.

Worin liegen die Herausforderungen als Interpret der Titelpartie?
KS Plácido Domingo: Die Partie des Nabucco hat einen großen Umfang und einige lange, schwierige Szenen. Der herausforderndste Aspekt ist jedoch – und das gilt erneut ebenso für viele andere Rollen –, dass es gelingt, den Charakter überzeugend darzustellen, sodass das Publikum die Figur als glaubhaft empfindet und vielleicht sogar mit dem, was der Charakter erfahren muss, mitfühlt.

Gibt es für Sie einen Schlüsselmoment in der Oper, auf den Sie Ihr Publikum besonders hinweisen wollen, ein „Da muss man unbedingt hinhören“?
KS Plácido Domingo: Der Moment, in dem Gott Nabucco mit Wahn schlägt und ihn für seinen Stolz, für seinen Glauben an seine Allmacht straft. Bis zu diesem Augenblick war Nabucco ein böser, gewaltsamer Charakter; danach wird er schrittweise menschlicher und toleranter.

Nachdem Ihr Leben auch und besonders durch Verdi bestimmt war: Gibt es noch Fragen an die Werke Verdis? Oder ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem Sie sich ganz sicher, ganz daheim fühlen und Sie auch keine neuen Erkenntnisse aus Verdi-Partituren mehr gewinnen können?
KS Plácido Domingo: Kein ehrlicher interpretierender Künstler kann jemals behaupten, dass er oder sie wirklich alles in einem großen Meisterwerk verstanden oder eine endgültige, vollkommene Wiedergabe geschaffen hat. Jedes Mal wenn ich eine Partitur aufs Neue studiere, mache ich große Entdeckungen – und das ist es auch, was an meiner Tätigkeit so wundervoll und erfüllend ist.

Ihre Stimme ist durch ihren charakteristischen Klang sofort zu erkennen. War bzw. ist das von Ihnen bewusst gesteuert worden, ein unverkennbares Timbre zu gewinnen? Also eine Art „Domingo-Klang“?
KS Plácido Domingo: Jede Stimme – beim Sprechen oder beim Singen – hat einen ausgeprägten, unverkennbaren Klang. Wenn sich ein erfahrener Opernliebhaber Aufnahmen derselben Arie, gesungen von fünf oder zehn berühmten Tenören, anhört, dann wird er augenblicklich in der Lage sein, die jeweiligen Interpreten zu identifizieren. Die wirklich wichtige Frage ist aber: Wie setzt du die Stimme ein, wie nützt du die Anlagen, die dir gegeben worden sind?

Wenn man Sie auch als Zuschauer in der Oper erlebt, ist Ihre enorme Begeisterung für dieses Genre immer wieder mitreißend, beeindruckend. Laden Sie gewissermaßen Ihre Batterien durch die Musik auf? Oder sind Begeisterung und Kraft einfach da?
KS Plácido Domingo: Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass jemand Toscanini, als er in seinen 80ern war, fragte, woher er noch immer die Energie nähme zu dirigieren. Er antwortete, dass die Musik ihm mehr gegeben habe und gäbe, als er jemals der Musik zurückgeben könne. Ich sehe das ebenso, und ich habe stets genau das gefühlt, sogar als ich sehr jung war. Es ist einfach ein Privileg in der Lage zu sein, diese großen Werke interpretieren zu können.

Wenn man Ihnen auf Facebook folgt, sieht man, dass viele Ihrer Postings zigtausende Likes haben. Ist diese enorme Zustimmung etwas, was Sie selbst mitunter verwundert?
KS Plácido Domingo: Ich bin über diese Tatsache immer wieder durchaus erstaunt, muss ich sagen. Vor allem aber bin ich dankbar, dass sich noch immer so viele Menschen für das, was ich mache, interessieren und ich ihnen durch meine Arbeit Freude bereiten kann. Das macht mich sehr, sehr glücklich.