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Das Wunder Kleiber

Das Wagner’sche Selbstbewusstsein war Carlos Kleiber fremd. Selbstzweifel, Lampenfieber, Menschenscheu und ein hoch gestecktes Interpretationsideal gepaart mit einem extremen Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Werken der von ihm dirigierten Komponisten ließen seine Auftritte mit der Zeit immer rarer, sein persönliches Repertoire immer schmäler werden. Die Dirigierangebote und verlockenden Leitungsfunktionen die er ausschlug waren Legion. Und wenn die aus künstlerischen Beweggründen von ihm eingeforderten zahllosen Umgebungsparameter im Zuge einer Probenarbeit, Aufführungsserie oder Schallplattenaufnahme nicht stimmten, konnte eine Absage oder verfrühte Abreise durchaus ins Haus stehen. Aber wenn Kleiber dann endlich am Pult stand, war eine Sternstunde garantiert. Schon die Proben konnten zu unvergleichlichen Ereignissen werden, allein wie er den Musikern und Sängern durch eindringlich vorgetragene außermusikalische Bilder und Assoziationen berückende klangliche Ergebnisse entlockte, kam einer Form von Magie gleich. Und bei den Vorstellungen am Abend selbst erhielten alle, die zu jenen Auserwählten gehörten, die es geschafft hatten, eine Eintrittskarte zu ergattern (und das war aufgrund des großen Andranges nicht leicht!), buchstäbliche Wunder geboten. Man wusste und erkannte bereits im Augenblick, dass das eben Gehörte nicht nur vieles (sogar bereits persönlich Verklärtes) aus der Vergangenheit in den Schatten stellte, sondern als Referenzinterpretation für die Zukunft eine schwer erreichbare Messlatte aufstellte. Unter seinen Händen gaben die Partituren mit einem Mal nie zuvor gehörte Farben, Geheimnisse, Tiefen, Intensitäten preis. Man inhalierte die Musik förmlich ein, fühlte sich auf sonderbare Weise als Teil des entstehenden Ganzen.

Auch an der Wiener Staatsoper war Kleiber ein viel zu seltener Gast: Die Premierenserie Carmen 1978, drei Bohème-Vorstellungen, sein Debüt mit Tristan und Isolde und zwei Rosenkavalier-Serien (plus eine weitere bei einem Japan-Gastspiel des Hauses) – allesamt Marksteine in der Aufführungsgeschichte des Hauses. Immerhin durfte sowohl besagte Carmen-Premiere als auch der legendäre Rosenkavalier von 1994 vom Fernsehen aufgezeichnet werden. Kleiber selbst ist bei letzterem auf eigenen Wunsch kaum im Bild zu sehen, aber das Ergebnis seiner unnachahmlichen Dirigierkunst ist wenigstens auf diese Weise gebannt und für immer nachzuerleben.