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AMORE? ONORE!

Macbeth ist in gleichem Maße stark wie er von Versagen gekennzeichnet ist.

LUCA SALSI: Er ist ein sehr starker Mann, ein Soldat, ein General. Gleichzeitig zeichnet er sich auch durch eine Unsicherheit aus. Im Moment der Entscheidung will er den König lieber nicht t.ten, fürchtet die Hexen. Aber er findet eine stärkere Person: seine Frau. Sie stärkt ihm den Rücken – und sie ist es, die ihn antreibt. Das scheint mir erstaunlich zeitlos und modern. Denn wie viele der sogenannten großen Männer haben eine Frau, die hinter ihnen steht. Schauen wir doch nur in die Politik ...

Aber in der Schlacht ist Macbeth offenbar doch sehr mutig?

LS: Ja, im Krieg. Aber wenn es über das hinausgeht, wenn es sein eigenes Leben betrifft, fehlt ihm der Mut. Da ist eben Lady Macbeth am Zug. 

Einer der Gründe, warum er sie liebt? Wenn er sie liebt.

LS: Ja, ich denke, es ist Liebe. Eine Art von Liebe, vielleicht mehr eine Anziehung. Möglicherweise ist es ja gerade diese Stärke, die ihn fasziniert. Doch am Ende wird das für ihn Nebensache. Ich bin in diesem Zusammenhang auf einen entscheidenden Fehler, der seit Jahrzehnten immer wieder gemacht wird, draufgekommen. Man hört am Ende das berühmte »Pietà, rispetto, amore«. Es steht in Verdis Autograph aber gar nicht »amore«, sondern »onore«! Also Ehre, nicht Liebe. Ich habe das im Ricordi-Archiv in Mailand selbst gesehen. Das »amore«, das immer gesungen wird, ist also falsch. Was ersehen wir daraus? Dass Macbeth an diesem Punkt die Liebe gar nicht mehr interessiert. Es geht ihm um den Verlust des Respekts, der Ehre. Denn was antwortet er auf die Nachricht, dass Lady Macbeth tot ist? »La vita ... che importa?«, also: Das Leben, was ist das schon? 

Soll er an dieser Stelle unser Mitleid gewinnen?

LS: Vielleicht. Aber er will es nicht. Er lebte sein Leben, er machte Fehler. Vielleicht ist er enttäuscht, im Inneren wütend. Vielleicht traurig, dass alles zu Ende ist. Aber Mitleid, ich weiß nicht. 

Man spricht so oft von den besonderen Stimmfarben der Lady Macbeth. Wie aber sieht es mit Macbeth aus?

LS: Wenn es um den Verdi-Gesang geht, antworte ich gerne mit einer Gegenfrage: »Was meinen die Menschen, wie richtiger Verdi klingen soll?« Laut? Heftig? Fortissimo? Wenn man in die Autographen schaut, und ich hatte oft diese Gelegenheit, sieht man: Verdi schrieb 90% piano, pianissimo, mezza voce, 10% forte, fortissimo. Nicht umgekehrt. Und selbst wenn, ein Verdi-Fortissimo darf nie ein Verismo-Fortissimo sein. Bei Macbeth gibt es gleich zu Beginn eine Stelle, wo Verdi nach der Anweisung »sotto voce« schreibt: »morendo«. Also ersterbend. Vom Leisen noch leiser werden. In diesen fein gearbeiteten, genau schattierten Ausdrucksdimensionen muss man also denken!