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Wenn zwei am selben Strang ziehen

In jedem Opernhaus gehört der Studienleiter beziehungsweise der musikalische Studienleiter – wie die Funktion in ihrer vollständigen Bezeichnung heißt – zu den Schlüsselstellen, zu den wesentlichen und verantwortungsvollsten Positionen überhaupt. Es stimmt, das Publikum bekommt kaum etwas von seinem (oder ihrem) Wirken mit, aber hinter den Kulissen sieht die Sache ganz anders aus: Der Studienleiter stellt so manche Weiche hinsichtlich der Besetzungen aus dem Pool der Ensemblemitglieder und er leitet und kontrolliert den künstlerischen Werdegang derselben mit seinem Stab, den Korrepetitoren; die Erstellung der täglichen Probenpläne wäre ohne ihn nicht möglich, er wirkt als musikalischer Assistent der Dirigenten beim Entstehen einer Produktion, gehört zum fixen Jurorstab bei den regelmäßig abgehaltenen Vorsingen der über Neuengagements von Sängerinnen und Sängern entscheidet und spielt immer wieder auch auf diversen Tasteninstrumenten in Vorstellungen mit.
Da der bisherige, langjährige Studienleiter Thomas Lausmann in gleicher Position an die New Yorker Met wechselte (an der er schon früher gewirkt hatte), wurde die vakante Stelle für das letzte Jahr der Ära Meyer auf eher unorthodoxe Weise gleich mit zwei Solorepetitoren der Staatsoper besetzt: Mit dem bisherigen stellvertretenden Studienleiter Mats Knutsson und Jendrik Springer, der diese Funktion in der Vergangenheit schon zwei Jahre lang bekleidet (und aus eigenen Stücken wieder aufgegeben) hatte. Gewissermaßen zum Einstand gaben die beiden Ende Juni ein Interview, das nun an dieser Stelle wiedergegeben wird.

Die Frage ist naheliegend: warum zwei, wenn bisher einer genügt hat?
Jendrik Springer: Tatsächlich ist unser Fall etwas ungewöhnlich ...
Mats Knutsson: ... und, soweit ich es beurteilen kann, zumindest in diesem Haus ein absolutes Novum.
Jendrik Springer: Es gibt aber eine Reihe von Gründen, die zu dieser Entscheidung geführt haben: Zum Beispiel habe ich seit Jahren einen Vertrag, der es mir gestattet, nicht die ganze Spielzeit über anwesend sein zu müssen und ich möchte diese Möglichkeit weiterhin nutzen ...
Mats Knutsson: ... um auch auf anderen Kirtagen zu tanzen. (beide lachen)
Jendrik Springer: Auch Mats wird von vielen Sängerinnen und Sängern gerne als privater Coach in Anspruch genommen und im Haus gibt es viele, die gerne mit ihm die Einzelproben machen würden. Kurzum: Die Fülle der Aufgaben, vor allem jene der organisatorischen Aufgaben eines Studienleiters, ist bekanntlich immens und schränkt das aktive Musikmachen, auf das wir aber nicht verzichten wollen, zu sehr ein. Also übernehmen wir beide nur einen Stück des Kuchens, sodass noch genügend Zeit fürs Arbeiten mit den Sängern und Dirigenten bleibt.
Mats Knutsson: Außerdem bin ich ein Frühaufsteher und Jendrik eher der Nachmittagsmensch, das heißt wir können uns hier schön ausgleichen. Und die Abenddienste teilen wir dann natürlich ebenfalls gerecht untereinander auf.

Nun stellt sich aber gleich die nächste Frage: War- um tut man sich das überhaupt an?
Mats Knutsson: Es ist schlicht und einfach eine Herausforderung und ... es hat schon einen Reiz, nicht zuletzt in der Besetzungspolitik mitplanen und mitbestimmen zu dürfen: man hat mehr Verantwortung und kann also auf einem ganz anderen Gebiet aktiv mitgestalten.
Jendrik Springer: Es ist schon verführerisch, die jahrzehntelange Kompetenz, die man sich erworben hat, unter Beweis stellen zu dürfen. Und es macht Spaß, Dinge zu organisieren, etwa eine gemeinsame Probe mit den Blumenmädchen in Parsifal auf die Beine zu stellen – was in einem Repertoirebetrieb nicht immer einfach ist.

Wie sieht nun die Arbeitsaufteilung im Konkreten aus?
Mats Knutsson: Die sechs Premieren haben wir, was die direkte Zuständigkeit betrifft, ebenso aufgeteilt, wie das große Repertoire und die organisatorischen Aufgaben. Trotzdem werden wir uns bemühen jederzeit für alles und alle ansprechbar zu sein – um das gewährleisten zu können, riefen wir eine Studienleiterkonferenz ins Leben, bei der wir uns regelmäßig ausführlich absprechen können.

Ihr seid hinsichtlich des Repertoires bekanntlich beide international anerkannte Allrounder und in allen Stilen beheimatet. Gibt es dennoch Präferenzen?
Jendrik Springer: Doch, ein wenig zumindest: Bei mir liegt der Fokus in letzter Zeit mehr auf dem deutschen romantischen Fach, also auf Wagner, Strauss, Weber, während sich Mats neben dem Französischen und Italienischen auch bewundernswert ins Tschechische hineingebohrt hat.

Die Arbeit hier am Haus ist schon anstrengend genug, warum seid Ihr auch außertourlich musikalisch unterwegs?
Mats Knutsson: Es klingt vielleicht abgedroschen, aber wir beiden lieben sowohl die Musik als auch das Musik machen so sehr... Wir lieben es, mit Sängern zu arbeiten, ja man bezieht eine Befriedigung daraus, mitgeholfen zu haben, dass eine Sängerin, ein Sänger besser wird.
Jendrik Springer: Manchmal fahren wir extra zu Vorstellungen an anderen Häusern, nur um das Ergebnis unserer Arbeit anzuhören – diesbezüg- lich sind wir richtiggehende Freaks.

Und in der Freizeit? Wird da auch Musik gemacht oder Musik gehört?
Jendrik Springer: Ich gehe regelmäßig in Konzerte, höre unter anderem viel Kammermusik: Das gibt einem neue Kraft, da tankt man wieder auf, denn Musik machen und Musik hören ist an sich keine Belastung. Das, was Kraft kostet, ist das „Bewegen müssen“, das „den Laden weiter bringen müssen“, aber Musik selbst kann auch Freizeit sein.
Mats Knutsson: Und wenn man hört, wie andere in Konzerten schön phrasieren, schön spielen, das ist ausschließlich eines: Wohltat!

Letzte Frage: Welche Musik, welches Stück, welche Passage berührt Euch unverändert jedes Mal neu, hebt Euch kathartisch in den Himmel?
Mats Knutsson: Bei mir ist das Richard Strauss. Bei vielen seiner Werke habe ich das Gefühl: Wow, das ist es!! Ganz besonders bei Elektra!
Jendrik Springer: Ich bekenne, ein echter Puccini-Freak zu sein. Und so lange der Schluss von Tosca, dieser im besten Sinn auf den Effekt hin komponierte Moment, mich nach wie vor so berührt wie beim ersten Mal, bin ich fit für die Oper.

Das Gespräch führte Andreas Láng