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Unser Ensemble: Michael Laurenz im Porträt

Die aktuelle Saison ist besonders reich an neuen Ensemblemitgliedern – zu ihnen gehört beispielsweise der aus Halle an der Saale stammende Tenor Michael Laurenz, der im Dezember als Goro in der Butterfly sein Hausdebüt geben wird. Doch anders als seine meisten Kolleginnen und Kollegen hat er die Sängerlaufbahn ursprünglich gar nicht angestrebt, sie ist ihm gewissermaßen passiert: Als hervorragend ausgebildeter Trompeter konnte er sich bald eine entsprechende Solostelle bei den Berliner Symphonikern erspielen, war dort aber gleich in den ersten Jahren mit den schwierigsten Stücken der Trompetenliteratur konfrontiert. Um diese Herausforderungen noch besser bewältigen zu können – wie jeder professionelle Künstler ist auch Michael Laurenz mit der erreichten Qualität nie zufrieden – folgte er dem Rat seines Lehrers: „Ich sollte Trompete spielen, gleich darauf singen, wieder Trompete spielen, erneut singen. Immer abwechselnd – einerseits, um den Muskeltonus der Lippen zu entspannen und andererseits, um die Natürlichkeit der Tonproduktion beim Gesang zu erfassen und adäquat auf das Trompetenspiel umzusetzen“, erklärt er bei einem Gespräch in der Kantine der Wiener Staatsoper. Der daraufhin einsetzende instrumentale Fortschritt war offenkundig, mit dem kleinen Nebeneffekt, dass ganz unbemerkt bereits die Weichen zu einer anderen Laufbahn gestellt waren – um vokal sattelfester zu werden, wollte er Unterricht bei einem Lehramtsstudenten nehmen, das entsprechende Vorsingen fand aber im Beisein einer Hochschulprofessorin statt. Langer Rede kurzer Sinn: Die Qualität der Stimme wurde erkannt und die erste Rolle, der Belfiore in Mozarts Finta Giardiniera für eine Hochschulproduktion, angeboten (und angenommen). Von da ging es aber Schlag auf Schlag: ein Engagement folgte dem anderen, ein Erfolg dem nächsten, so lange, bis Michael Laurenz (zum Entsetzen seiner nächsten Umgebung) sowohl die Stelle im Orchester als auch seinen Lehrstuhl für Trompete zurücklegte und alles auf die Gesangskarte setzte.

Einen letzten großen künstlerischen Kontakt zu den Berliner Symphoniker gab es 2008: Damals fanden die medienwirksamen Zauberflöten-Vorstellungen in der U-Bahn unter dem deutschen Kanzleramt statt, bei denen er 43 Mal den Tamino verkörperte – zur großen Gaude seiner Ex-Kollegen, die als Orchester dieser Produktion fungierten.

Nach Stationen als freier Sänger, unter anderem in Stuttgart, kam er ins Opernstudio der Zürcher Oper, wo er kurz darauf auch einen Ensemblevertrag erhielt – zehn Jahre später tauschte er das Zürcher Ensemble gegen jenes der Wiener Staatsoper. Aus mehrfachen Gründen: Der langgehegte Wunsch endlich im Haus am Ring singen zu dürfen, ging mit diesem Schritt in Erfüllung, zumal er hier auch die Möglichkeit erhält, sein rund 50 (vornehmlich deutsche und russische) Rollen umfassendes Repertoire zu erweitern, nicht zuletzt um italienische Partien – wie eben den Goro. Außerdem hat seine kürzliche Familiengründung respektive die Geburt der Tochter auch die Lebensansichten ein wenig geändert und zu einer größeren Sesshaftigkeit geführt, als dies in der Züricher Zeit der Fall gewesen war. Der Umstand, dass er in Wien als Sänger und Hundebesitzer zu keiner Persona non grata auf dem Wohnungsmarkt erklärt wurde, sondern im Gegenteil, auf einen Vermieter traf, der sogar regelmäßig über die Kritiken von Laurenz’ Auftritte referieren kann, versöhnte ihn sogleich mit dem Standortwechsel. „Es ist wunderbar, was für eine Wertschätzung hier unserem Beruf entgegengebracht wird“, zeigt er sich glücklich, „in dieser Stadt hat man sich die Liebe zu den Sängern, wie sie noch zu Carusos Zeiten international üblich war, herübergerettet in die Gegenwart.“

Den Wechsel aus dem Graben hinauf auf die Bühne, hat Michael Laurenz nie bereut – schließlich hätte er nun den schönsten Job der Welt und viel weniger Stress als auf der Trompete. „Im Orchester ist mein Radius auf zwei Quadratmeter beschränkt, als Sänger kann ich mich in Notsituationen problemlos frei spielen, ein Requisit benutzen oder unbemerkt ein Glas Wasser trinken.“ Darüber hinaus ist nun auch die Abwechslung größer: Schließlich wirkt die Trompete im klassischen Repertoire sehr oft bloß als Verstärkung der Paukenstimme, was ihm auf Dauer eintönig wurde. Nein, die unterschiedlichen Anforderungen im Sängeralltag sind genau das, was ihm besondere Freude bereitet und so erkl.rt er, dass „selbst der Unterschied zwischen dem Aufführungssystem in Zürich und Wien anregend sei.“ Hatte er in der Schweiz hauptsächlich in Premierenproduktionen gewirkt und mit Regisseuren in wochenlangen Proben ein auf ihn zugeschnittenes Rollenportröt erarbeitet, so treten nun Repertoirevorstellungen in den Vordergrund, in denen er sich, in zum Teil lange bestehenden Inszenierungen, vor einem wissenden Publikum mit zahlreichen Vorgängern zu messen hat. „Wenn ich mir bei manchen Kostümen die Namensliste all jener ansehe, die schon darin gesteckt hatten, umfängt mich ein ganz eigenartiges Gefühl der gleichzeitigen Demut und Freude.“

So wie Michael Laurenz keine Rollen auf Vorrat, also für den Fall der Fälle lernt, so denkt er auch nicht konkret darüber nach, in welche Richtung sich sein Repertoire entwickeln könnte: „Durch die breiter gewordene Mittellage und das dunkler gewordene Timbre steht mir eine große Palette offen. Die Stimmentwicklung wird mir ebenso den Weg weisen, wie die erfahrenen Zuständigen in diesem Haus.“ Natürlich, ganz persönliche Vorlieben gibt es immer: So hört Michael Laurenz im symphonischen Bereich überaus gerne das OEuvre von Gustav Mahler (das er früher zum Großteil im Orchester selbst gespielt hatte) und auf der Opernbühne vor allem Werke von Strauss und Wagner – insgesamt also die Romantik und Spätromantik. Als Interpret hingegen kennt sein Interesse keine stilistischen Grenzen (Sternstunden erlebte er beispielsweise als Trompeter mit der 6. Symphonie Gustav Mahlers unter Pierre Boulez oder mit der 13. Symphonie Dmitri Schostakowitschs unter Valery Gergiev in Moskau und als Sänger mit Pedrillo in Mozarts Entführung in Paris), was sich in seiner überaus positiven, unaufgeregten Euphorie in Hinblick auf die zukünftigen Aufgaben niederschlägt – inklusive Monostatos bei der Kinderzauberflöte am Tag nach dem Opernball: „Einer jungen Generation einen neuen Zugang zu schaffen, ist nicht nur Verantwortung, sondern zugleich größte Freude.“ Und wie sieht es mit der jüngsten Generation zu Hause aus, kommt die eigene Tochter in den Genuss von kostenlosen Gesangsvorführungen? „Doch, ja, und sie findet es offenbar großartig…“

Andreas Láng