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Unser Ensemble: Carlos Osuna im Porträt

Am Anfang wollte er nicht so recht. Doch eine Lehrerin seiner Schule, gerade auf der Suche nach neuen Stimmen für ihren Chor, blieb hartnäckig und ließ nicht locker. Bis er endlich nachgab und zum internen Vorsingen ging. „Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nie gesungen“, berichtet Carlos Osuna. „Und ich hatte auch nicht darüber nachgedacht. Interessant waren für mich: Fußball. Oder Basketball. Jedenfalls kein Gesang.“ Aber kaum waren die ersten Töne erklungen – Osuna sang die mexikanische Nationalhymne vor, etwas anderes hatte er nicht im Repertoire – da brach das Entzücken der Lehrerin aus: „Oh, ein kleiner Sopranino“, freute sie sich. Und bearbeitete den Jungen so lange, bis er endlich in ihren Chor eintrat. Was folgte waren schöne, aber anfangs auch herausfordernde Jahre. „Meine Mitschüler hänselten mich, weil ich im Schulchor war“, erinnert sich der Tenor. „Singen war damals alles andere als cool …“ Dazu kam, dass er der erste Musiker der Familie war und damit Neuland betrat. Doch mit der Zeit fand er Gefallen daran – nach den ersten Gehversuchen wurde er Chorsolist, wechselte in einen professionellen Chor, ging durch den Stimmbruch und entpuppte sich als Tenor. Von da an lautete das Ziel: Sänger werden! Osuna ging nach Mexico City, begann ein ernsthaftes Gesangsstudium – und verzichtete auf einen Plan B. „Ich dachte: Wenn ich auch noch etwas anderes lerne, dann betreibe ich beides nur mit halber Energie. Und am Ende habe ich keines richtig gemacht.“ Also studierte er ausschließlich Gesang, auch um sich den notwendigen Druck aufzubauen: „Natürlich habe ich Angst gehabt“, lacht er heute, „ich ging aufs Ganze! Das Motto lautete: Gewinnen oder sterben…“

Er gewann: Dreieinhalb Jahre lernte er an der Sociedad Internacional de Valores de Arte Mexicano, danach folgte die Cardiff International Academy of Voice – und schließlich ein Jahr im Opernstudio in Basel. Später kam er an die Wiener Staatsoper, an der er im Februar 2011 – in Billy Budd – sein Hausdebüt gab. Seither ist er Ensemblemitglied und in zahlreichen Rollen, als Sinowi in Lady Macbeth von Mzensk, als Narraboth in Salome, als Ismaele in Nabucco oder Scaramuccio in Ariadne auf Naxos zu erleben. „Wenn ich in meiner Heimat erzähle, dass ich an der Wiener Staatsoper singe, dann wird die Bedeutung anfangs gar nicht wahrgenommen. Ich muss das erklären: Die Wiener Staatsoper ist wie Real Madrid, und ich spiele an der Seite von Cristiano Ronaldo. Oder: Die Wiener Staatsoper ist wie Hollywood, und ich darf mit Brad Pitt auf der Bühne stehen.“ Und genau auch diesen Kontakt mit den ganz Großen sieht Osuna als eines der besonderen „Zuckerl“ im Staatsopern-Leben an. „Als ich zu singen anfing, kannte ich nur Plácido Domingo, weil er in Mexiko einfach von jedem gemocht wird. Dann hörte ich die Stimmen von Carreras, Pavarotti, Alagna, Cura, Shicoff. Aber ich kannte sie alle nur von DVDs oder aus youtube. Heute darf ich mit vielen dieser Superstars auf der Bühne stehen, kann sie bei der Arbeit, beim Singen aus nächster Nähe erleben. Dazu dieses einmalige Orchester und die Dirigenten: das ist ein echtes Privileg!“ Und obgleich das Singen und Agieren auf der Bühne Kraft kosten, gewinnt Carlos Osuna durch die Publikumsreaktionen dasselbe wieder zurück. „Der Gedanke, dass ich bei den Zuhörern Gefühle auslöse, dass ich sie glücklich mache, macht wiederum mich glücklich“, beschreibt er den positiven Kreislauf.

Die nächsten Jahre will er – neben seinen zahlreichen Auftritten an der Wiener Staatsoper – mit dem intensiven Studium einzelner großer Partien verbringen. „Ich möchte den Punkt erreichen“, plant Osuna, „dass ich Rollen wie Alfredo oder Rodolfo jederzeit abrufbereit habe. Abgesehen davon gibt es Partien, die ich einfach einmal gestalten möchte.“ Dazu zählt er die beiden genannten, aber auch Pinkerton, Lenski, Macduff. Und eine, seinen Favoriten: Don José in Carmen. „Ich empfinde ihn sowohl in seinem Charakter als auch musikalisch enorm spannend“, schwärmt er. „Die Wandlung, die er von einem Nemorino zu einem Mörder aus Leidenschaft durchschreitet, ist für mich stets aufs Neue verblüffend. Und dazu noch die Musik!“ Seine Studien nimmt er jedenfalls ernst, sehr ernst: „Man hat ja nie ausgelernt“, meint er. „Ich erinnere mich an ein Interview mit Pavarotti, da war er ungefähr 55 Jahre alt. Man fragte ihn: ,Maestro, wann sind Sie fertig mit dem ewigen Lernen?‘ Und er antwortete: ,Noch vor fünf Minuten habe ich mit meinem Pianisten gearbeitet. Fertig ist man nie…‘ “. Spricht Carlos Osuna und verschwindet in eine Korrepetionsstunde.

Oliver Láng


Salome | Richard Strauss
16., 19., 22., 25. November 2017
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