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Tradition in der DNA

Jaap van Zweden debütiert an der Wiener Staatsoper.

Sie werden mit Lohengrin an der Wiener Staatsoper debütieren. Wieweit reichen Ihre diesbezüglichen Erinnerungen zurück? Wissen Sie noch, wann Sie erstmals Lohengrin erlebt, gehört haben?

Jaap van Zweden: Ich war vor meiner Laufbahn als Dirigent Geiger – und das brachte mit sich, dass ich eine lange Zeit meines Lebens damit verbracht habe, Geige zu lernen, zu üben und zu spielen. Mein musikalisches Dasein bestand also in einem hohen Maße aus Violinkonzerten, Sonaten und ähnlicher Literatur. Die Oper wurde in meinem Leben ab dem Moment wichtig, in dem ich Konzertmeister des Concertgebouw Orchestras wurde, das war mit 19 Jahren. Und in Zuge dessen habe ich verstärkt mit den Opern Wagners zu tun gehabt. Die Lohengrin-Welt habe ich als Dirigent vor neun Jahren betreten, als ich meine erste diesbezügliche Produktion einstudiert habe.

Wieweit bringen Sie die Erfahrungen, die Sie als Geiger gewonnen haben, in Ihre Tätigkeit als Dirigent ein?

Jaap van Zweden: In meiner langen Zeit als Konzertmeister hatte ich die wunderbare Gelegenheit, all die großen Dirigenten beim Arbeiten zu erleben. Daher ist all das, was Sie gesagt, getan und interpretiert haben, in meine musikalische DNA eingegangen. Man darf aber nicht vergessen, dass es dennoch etwas vollkommen anderes ist, Geiger zu sein oder Dirigent. Als Dirigent sehe ich natürlich die gesamte Partitur und nicht nur eine Notenzeile, ich bin für alle Stimmen verantwortlich, und nicht nur für eine. Es geht um das Ganze – und das ist eine andere Sicht der Dinge …

Wenn Sie nun die Partitur von Lohengrin aufschlagen: Welche Aspekte der Oper beeindrucken Sie da am meisten?

Jaap van Zweden: Das ist bei einem so komplexen Werk wie Lohengrin immer eine Gretchenfrage. Vielleicht, abgesehen von allem Musikalischen und von der unglaublichen Atmosphäre dieser Oper, die Form: Lohengrin ist eine der ersten durchkomponierten Opern. Also keine Abfolge von Arien und Rezitativen, sondern ein großer Bogen.

Ist als Dirigent eine durchkomponierte Oper anstrengender als eine Nummernoper? Weil es eben keine „Unterbrechungen“ gibt?

Jaap van Zweden: Es sind unterschiedliche Schwierigkeiten. Bei Arien-Rezitativ-Abfolgen muss man als Dirigent ebenso aufmerksam sein wie bei einer durchkomponierten Oper. Rezitative sind ja auch keine Passagen, in denen sich der Dirigent ausruhen kann, sondern es bedarf geradezu einer Alarmiertheit, man muss sehr genau am Text dran sein. Der Unterschied ist, dass man bei einer durchkomponierten Oper, gewissermaßen ohne Zäsur, die hohe Intensität von der ersten bis zur letzten Note durchtragen muss. Das verlangt eine andere Art der mentalen Einstellung. Bei Lohengrin kommt übrigens noch dazu, dass es sich um eine Chor-Oper handelt, was mich auch besonders freut, da der Chor der Wiener Staatsoper einfach großartig ist.

Sie sind inmitten einer Gesamtaufnahme des Ring des Nibelungen. Ist Lohengrin angesichts der Dimensionen des Rings eine – überspitzt formuliert – Kleinigkeit?

Jaap van Zweden: Nein. Ebenso überspitzt formuliert: Auch Happy Birthday ist kein einfaches Lied, wenn man es auf einem entsprechenden Niveau aufführen möchte. Einfach ist in der Kunst überhaupt nichts, und ich mache nicht den Fehler, irgendetwas als gegeben anzusehen. Nein, man muss jedes einzelne Werk gut vorbereiten, und nicht nur gut, sondern bestmöglich. Abgesehen davon kann man Wagner nicht ernst genug nehmen. Und sollte ihn durch beste Vorbereitung ehren.

Man kann Wagner nicht ernst genug nehmen klingt nach einem Wagnerianer.

Jaap van Zweden: Wenn man sich mit Wagner beschäftigt, wird man mehr und mehr zum Wagnerianer. Es war bei mir ja auch eine Liebe auf den ersten Blick. Man muss nur beachten dass diese Liebe viel Zeit und Geduld braucht. Geduld und intensive Beschäftigung. Schnellschnell geht bei Wagner überhaupt nichts!

Wie stehen Sie zu den Anmerkungen, die Wagner in seine Partituren notiert hat. Wieweit haben diese für Sie Relevanz?

Jaap van Zweden: Absolut. Wagner wusste so genau, was er will – da gibt es nicht eine Eintragung, die wir ignorieren könnten. Man muss das ernst nehmen!

Bei Lohengrin handelt es sich um ein Wagner-Werk der mittleren Periode. Blenden Sie Ihr Wissen über spätere Werke aus, wenn Sie Lohengrin dirigieren?

Jaap van Zweden: Ich denke, dass in einem Komponisten, der ein Werk schreibt, bereits alle seine Musik drinnen ist. Derzeit studiere ich Das klagende Lied von Gustav Mahler ein – und es stellt sich die Frage: Hören wir in diesem Stück bereits seine 9. Symphonie? Ich würde sagen: Ja, man spürt sie bereits. Und genauso ist es bei Wagner: Auch wenn der Ring noch nicht existiert hat, so ist er doch schon da. Und: Lohengrin ist ein Meisterwerk, nicht ein „frühes“ Stück. Es steht für sich. Selbst wenn Wagner nie etwas anderes geschrieben hätte, wäre er ein einzigartiger Komponist. Lohengrin ist mehr als genug.

Ist die reiche Aufführungsgeschichte dieser Oper eine Bereicherung für Sie als Interpret? Oder eine Bürde?

Jaap van Zweden: Nein, sicherlich keine Bürde. Es ist fantastisch, dass es all das schon gegeben hat, man kann in diese reiche Lohengrin-Tradition eintauchen und all das Großartige genießen!

Und fordert Sie bei Lohengrin das Körperliche oder das Mentale beim Dirigieren stärker?

Jaap van Zweden: Das Mentale. Eindeutig.

Oliver Láng


Lohengrin

10, 14., 18., 21. Mai 2016