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© Kiyonori Hasegawa

The Kabuki

Tokio, 1983 bis 1986: Éric Vu-An hantiert mit einem Katana (dem japanischen Langschwert), Maurice Béjart (1927 bis 2007) prüft und wählt Kostüme, probt angeregt mit Solistinnen und Solisten sowie dem gesamten Ensemble, dankt seinen Mitarbeitern herzlich und mit von jeder Berührungsphobie erfrischend freien Umarmungen für deren Beiträge. Ein knapp neunminütiger Dokumentarfilm von Jean Claude Wouters fing die Stimmung der Entstehung des Balletts The Kabuki ein und entführt zugleich nicht nur mit in moder- nistische Architektur und Modeschauen verliebte Einstellungen und maskenhaften Großaufnahmen ausdrucksstarker Gesichter der Ausführenden in die Ästhetik der 80er Jahre.
Im August 1964 (als Tchaikovsky Memorial Tokyo Ballet) gegründet, konnte sich das Tokyo Ballet rasch internationalen Ruhm erarbeiten. Besondere Aufmerksamkeit gewann das Ensemble 1968 durch den ersten Japan-Auftritt von Maja Plissetskaja (1925 bis 2015) und es mag auch die enge Verbindung zwischen ihr und Béjart gewesen sein, welche zur Entstehung des Balletts The Kabuki beitrug. Mit großer Hartnäckigkeit bat der damalige Generaldirektor Tadatsugu Sasaki Béjart über Jahre um eine Choreographie: 1983, anlässlich des 20. Jahrestages des Bestehens des Tokyo Ballet, gab dieser seine Zustimmung zur Aufführung eines seiner Werke und nach der Vorstellung bekannt, ein Ballett zum Thema „Kanadehon Chu ̄shingura – Die Rache der 47 Ronins“ schaffen zu wollen. Erst nach weiteren zwei Jahren einigte man sich auf den Umfang des Werkes, und es wurde beschlossen, den Komponisten Toshiro Mayuzumi (1929 bis 1997), welcher mit Bugaku bereits 1962 für George Balanchine (1904 bis 1983) eine einaktige Ballettpartitur geschaffen hatte und dem österreichischen Publikum vor allem mit der 1996 am Landestheater Linz uraufgeführten Oper KojikiTage der Götter bekannt wurde, mit der Musik zu betrauen, die Ausstattung wurde Nuño Cortê-Real überantwortet. 1986 war es dann soweit: Mit der Premiere erblickte ein Ballett das Licht der Welt, welches sich unmittelbar zu einem Repertoirepfeiler des Ensembles entwickelte und vom Tokyo Ballet nach eigenen Angaben bislang 197 Mal in 16 Ländern gezeigt wurde. Darunter auch am 6. Oktober 1986, als das Werk anlässlich eines Gastspieles des Ensembles zum ersten Mal in der Wiener Staatsoper zu sehen war. In der Hauptrolle des Yuranosuke tanzte Éric Vu-An, eben jener Pariser Étoile, der nicht nur bereits die Tokioter Uraufführung bestritten hatte, sondern zusammen mit Sylvie Guillem in Balletten von Béjart wie Mouvement, Rythme, Étude zu Musique concrète von Pierre Henry (1927 bis 2017) eine radikal neue, an der rhythmischen Sportgymnastik geschulte, hyperflexible Ballettästhetik begründete. Spätestens als Guillem 1985 ihren ersten Gastauftritt beim Tokyo Ballet in Schwanensee absolvierte, hatten sich weitere Kreise zwischen asiatischen und europäischen Traditionen geschlossen, die sich in The Kabuki respektvoll die Hand reichen. Maurice Béjart selbst schrieb dazu: „Es gibt bereits das Original-Kabuki-Drama. Ich war nicht interessiert, es nochmals zu schaffen, auch beherrsche ich nicht die nötigen Techniken oder die erforderlichen philosophischen Ideen. Ich hatte auch nicht vor, das ursprüngliche Drama zu imitieren oder ein Werk des klassischen Balletts zu schaffen. Was ich wollte, war ‚etwas Neues‘ zustande zu bringen, das über diese Formen hinaus reicht. The Kabuki hat die Treue zum Thema, ein ewiges wie auch universelles Menschheitsanliegen. [...] Ich wollte mit meinem Ballett auf die Bedeutung der dem modernen Menschen abhanden gekommenen Treue hinweisen.“ Alleine dafür sollte man Béjart posthum nochmals innig umarmen.

Oliver Peter Graber


The Kabuki | Maurice Béjart
2., 3., 4. Juli 
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