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Singen mit unglaublicher Freude

Begonnen hat alles, erzählt die Sopranistin gerne, im Alter von fünf Jahren. Da konnte sie bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt, zum Erstaunen ihrer Mutter, gar nicht genug von der Bühne bekommen. Lampenfieber? Keine Spur! Garifullina genoss es einfach, auf der großen Bühne zu stehen und vor dem Moskauer Publikum zu singen. Es lag also auf der Hand, dass sie später ein Gesangsstudium begann: zunächst in Kasan ihrer Heimat, später in Nürnberg und an der Wiener Musikuniversität. Und weil zum Studium auch die Hör-Praxis gehört, verbrachte sie viele Abende an ihrem Sehnsuchtsort: am Stehplatz der Wiener Staatsoper. Es folgte eine Bilderbuchkarriere: 2013 gewann sie den Operalia Wettbewerb von Plácido Domingo (ein gutes Jahr übrigens, auch Julie Fuchs und etliche andere heute bekannte Sänger waren unter den Preisträgern), wurde von Domingo gefördert und überzeugte bei einem Vorsingen an der Wiener Staatsoper. Flugs wurde sie Ensemblemitglied und bereits im Oktober absolvierte sie ein Debüt: die Giannetta im Liebestrank, der die Musetta in der Bohème folgte. „Als Mitglied des Ensembles der Wiener Staatsoper all die Musiker und Mitarbeiter des Hauses so gut zu kennen und von ihnen unterstützt zu werden, macht alles, was ich hier in Wien tue sehr besonders, weil ich mich die ganze Zeit wie in einer großen Familie fühle“, schwärmte sie in ihrer Zeit als Ensemblemitglied von der Atmosphäre im Haus. Noch gut kann sie sich heute an den ersten Wiener Auftritt erinnern: „Ich habe eine große Verantwortung gespürt, aber auch Stolz! Es ist unglaublich, vor gar nicht langer Zeit, als Studentin, bin ich selbst als Zuschauerin hier gewesen und habe mir auf dem Stehplatz jede Produktion begeistert angesehen. Ich war glücklich, einfach dort zu sein.“ Und im selben Atemzug streut sie den Zuschauern Rosen: „Das Wiener Publikum ist sehr besonders. Es ist sehr positiv und großzügig mit Applaus. Wenn es einen Künstler mag, dann ist das Publikum hier wahnsinnig treu“. Dass die Präsenz und die Aufmerksamkeit der Zuhörer einen Einfluss auf ihre eigene künstlerische Leistung hat, bestätigt sie prompt: „Natürlich brauchen wir Künstler ein Publikum, denn aus seinen Reaktionen ziehen wir Energie und Ermutigung. Man kann immer spüren, ob ein Publikum aufmerksam ist oder nicht; und es hat große Auswirkungen auf das, was wir auf der Bühne erreichen können.“

Schnell ging es im Haus am Ring weiter: Aus der Liebestrank-Giannetta wurde bald eine Liebestrank- Adina, es kamen die Prinzessin Eudoxie in La Juive, die Elvira in der Italiana in Algeri, die Zerlina in Don Giovanni wie auch die Susanna in Nozze di Figaro hinzu. Nicht lange, da folgten neben einer CD bei DECCA eine Reihe von Auszeichnungen. Und ein Staatsopern-Auftritt vor einem Millionenpublikum, als sie den Opernball 2015 eröffnete. Parallel zu ihren Auftritten im Haus am Ring – zuletzt auch als Gilda, Juliette und Irina in Tri Sestri – entfaltet sie eine internationale Karriere, die sie nach Paris, St. Petersburg, Verona, Barcelona, demnächst auch an die Met und nach Berlin bringt. Dennoch behält Garifullina Bodenhaftung – und hat im Kopf all jene Größen, die vor ihr auf der Staatsopernbühne gestanden sind: „Wie könnte man vergessen, wer vor einem selbst in einem Opernhaus oder einem Konzertsaal gesungen oder gespielt hat? Wenn man die Geschichte unserer Kunst kennt – und dieses Wissen ist essenziell, denke ich – dann muss man sich doch bewusst sein, in wessen Fußstapfen man tritt.“ Diese Fußstapfen sind allerdings nicht einengend und einschüchternd, sondern beflügelnd: „Auf der Bühne der Wiener Staatsoper zu stehen und an all die Sänger, Dirigenten und Produktionen zu denken, die denselben Platz eingenommen haben wie du selbst in diesem Moment, erfüllt mich mit unglaublicher Freude. Es ist die tägliche Erinnerung daran, wie weit ich gekommen bin, aber auch, wie sehr ich an mir weiter arbeiten muss, um mein Bestes geben zu können.“ Ihre Rollen wählt sie behutsam aus, achtet zuallererst auf die musikalischen Aspekte, in zweiter Linie auf die charakterliche und dramaturgische Attraktivität einer Bühnenfigur. Sicher ist aber: Eine Rolle, die vom Typ und von der Figur noch so sehr reizvoll sein mag, aber stimmlich nicht perfekt passt, nimmt sie nicht an. Ideal, natürlich, ist das Zusammenfallen beider Aspekte: „Wenn eine Rolle stimmlich zu mir passt und ich mich mit dem Charakter identifizieren kann oder mich die psychologische Erforschung der Rolle reizt, dann ist das ganz klar die erfüllendste Kombination.“

Auf die Frage, wie viel interpretatorischen Freiraum sie sich an einem Auftrittsabend gewährt beziehungsweise wie vordefiniert ihr Agieren und Auftreten ist, lässt sie sich ausführlich ein. „Oper ist eine sehr gemeinschaftliche Kunstform“, erzählt Garifullina, „da man mit einem Dirigenten, einem Orchester und anderen Sängern arbeitet. Man arbeitet zudem mit einer Partitur – anders als zum Beispiel beim Jazzgesang in einer Kellerbar – deshalb muss das Meiste, was ich stimmlich auf der Bühne darbieten möchte, vorher ausgearbeitet werden. Dennoch kann es vorkommen, dass ich während der verschiedenen Vorstellungen die eine oder andere Passage ein bisschen anders phrasiere oder ein wenig verändere, meist als Reaktion auf einen Kollegen. Es ist schön, mit den anderen Sängern auf der Bühne in Kontakt zu treten und wirklich mit ihnen zusammen zu agieren. Deshalb würde ich sagen, dass es mehr Freiheiten in der Art und Weise gibt, wie wir miteinander spielen, und dass ich diesen Aspekt besonders aufregend finde, weil er schließlich darüber entscheidet, ob unsere Vorstellung frisch und spannend wird.“

Doch zumindest ein Ritual behält sie sich bei aller Freiheit vor, das sie vor allen Auftritten im Stillen absolviert: „Bevor ich auf die Bühne gehe, wende ich mich an Gott und bitte ihn, dass mein Gesang die Leute im Saal glücklich macht. Ich möchte gerne, dass sie für einen kurzen Moment ihre Sorgen vergessen und einzig die wunderbare Musik genießen können.“

Oliver Láng


Gilda (Rigoletto)
3., 7., 10. Juni 2018

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