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© Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Singen ist wie Stricken

Was waren Ihre Assoziationen zu Danton, bevor Sie sich mit Einems Oper beschäftigt haben?

KS Tomasz Konieczny: Ich wusste, dass Büchner Danton als einen Menschen beschreibt, der viel mehr weiß als alle um ihn herum. Er versteht den Mechanismus der Revolution und das Triebwerk, das die Menschen zu dem bewegt, was sie tun. Letztlich ist diese Oper eine Studie über die menschliche Natur und darüber, wozu Revolution führt. Meine Arbeit an der Interpretation der Figur wird aber vor allem bei den Proben passieren. Ich bin ein Künstler, der sich sehr viel Zeit nimmt, um Partien zu lernen und um zu verstehen, was der Komponist wollte. Endlos DVDs anzuschauen, um nachzumachen, was früher gemacht wurde, ist ganz und gar nicht mein Weg. Ich hätte Angst, mein Ziel aus den Augen zu verlieren. Wir sind wie Affen: Wenn wir etwas mögen, das Kollegen gesungen haben, machen wir es nach, obwohl wir es gar nicht wollen. Aber ich möchte mein eigenes Verständnis dafür entwickeln, was Danton bewegt. In erster Linie sind für mich nicht Dramaturgie und Inszenierung vorrangig, sondern das Verständnis dafür, warum ein Mensch so handelt.

Welcher Charakterzug dieser vielschichtigen Figur ist Ihnen am meisten Inspiration?

KS Tomasz Konieczny: Ich stelle mir einen Menschen vor, der lange für das Volk gekämpft hat, es aber leid ist. Er sagt ja auch, er sei nicht träge, sondern müde. Er versteht von Beginn an, dass er zum Opfer werden muss, und geht damit gelassen um. Aber letztendlich hat er am Ende noch genug Kraft, um sehr potent zu sprechen und nochmals zu betonen, was seine eigenen Werte sind. Man muss aufpassen, aus Danton keinen Wotan zu machen, keinen Gott vom Amt. Man muss die menschliche Seite verstehen. Ich glaube, dass Danton seine eigenen Schwächen gut kennt. Das zeichnet einen großen Menschen aus. Anfangs muss man wiederum darauf achten, dass er nicht überheblich wirkt. Es geht mir jedenfalls nicht um historische Fakten, sondern um die Geschichte eines Menschen, der zu einem gelassenen Philosophen wird.

Was schätzen Sie an den gesanglichen Anforderungen der Rolle?

KS Tomasz Konieczny: Ich habe mich sehr gefreut, als ich merkte, dass die Partie des Dantons so hervorragend geschrieben ist. Es gibt darin Stellen, die normalerweise für meine Stimme sehr hoch sind, aber hier singt sich alles sehr gut. Gottfried von Einem hat ganz offensichtlich sehr viel über Stimmen gewusst und darüber, wie er sie für das, was er ausdrücken wollte, nutzen kann. Wenn man vergleicht, wie viele Jahre andere Komponisten lernen mussten Partien so zu schreiben, dass sie nicht zu schwierig zu singen sind...ich denke da nur an Lohengrin oder den Fliegenden Holländer.

Wie nähern Sie sich einer Rolle gesanglich an?

KS Tomasz Konieczny: Ich bin jemand, der das Lernen einer Partie sehr analytisch angeht. Ich möchte verstehen, warum hier dieser oder jener Ton steht, möchte die Intentionen des Komponisten kennen. Ich entdecke mit dem Pianisten, wohin eine Harmonie führt, wo das Ziel einer Phrase ist. In dieser Partie gibt es verschiedene Farben: Die ironisch-sarkastische, ein bisschen überhebliche Szene mit Julie, die wunderbare Arie, als der Junge schläft – fast ein Wiegenlied, das mich ein bisschen an Hindemith erinnert –, und es gibt diese gewaltige Ansprache. Ich habe Einem noch nie gesungen und werde erst auf der Bühne wissen, ob meine Stimme diese Musik wirklich mag, aber was ich jetzt übe, erscheint mir sehr klug, interessant und so komponiert, dass es mir viele Ausdrucksmöglichkeiten gibt.

Wie geht man mit den höchst kräftig gesetzten Passagen Dantons um?

KS Tomasz Konieczny: Man sollte sie keinesfalls schreien. Man soll sehen, dass er nach wie vor sehr stark ist und dass er etwas Wichtiges zu sagen hat. Es gibt durchaus eine Parallele zu Wotan in dem Stolz, den er hat. Es ist kein Schrei eines Verzweifelten, sondern eine würdige Ansprache, in der er versucht, den Menschen etwas klar zu machen. Aber gegen den Strom kommt er nicht an, ähnlich Peter in den Weiden. Mich erinnert das auch an die aktuelle Situation in Polen oder in Österreich. Man möchte glauben, es müsste reichen, zu schreien, um den Leuten klar zu machen, wie dumm sie den Populisten folgen, aber es nützt nichts. Danton versucht die Vernunft der Menschen anzusprechen, aber die ist nicht mehr vorhanden. Er tut das nicht, um zu überleben, sondern um den Menschen klar zu machen, dass sie falsch liegen.

Sie kommen erst zehn Tage vor der Wiederaufnahme aus New York, wo Sie mit großem Erfolg Alberich an der MET singen. Haben Sie dort zum Erarbeiten jemanden, der Einems Musik gut kennt?

KS Tomasz Konieczny: Das ist natürlich nicht so einfach hier. Aber ich arbeite mit erfahrenen Pianisten, die sich mit deutscher Musik beschäftigt haben. Jetzt möchte ich es mal in die Kehle kriegen, der Rest kommt dann noch. Natürlich ist das keine Allerweltsrolle.

Inwiefern reizen Sie Rollen abseits des üblichen Repertoires und wie sehr schätzen Sie andererseits gewohntes Terrain?

KS Tomasz Konieczny: Es gibt Partien wie Wotan in Walküre und Rheingold, die kann ich singen, wenn Sie mich in der Nacht wecken, so tief sind sie in meiner Seele und meinem Körper verankert. Selbstverständlich fühlt man sich besser, wenn man etwas schon oft gemacht hat. Aber man muss auch neue Partien studieren, um sich weiter zu entwickeln, gesanglich wie künstlerisch. Neue Umgebungen sind es, in denen wir wie Kinder sein und spielen können. Man muss aber Geduld haben und sich vor allem am Anfang der Karriere nicht drängen lassen. Noch vor zehn Jahren war es für mich ein Riesenstress eine neue Partie zu singen. Nun habe ich meinen Weg gefunden. Für mich ist es wichtig, Partien zuerst nur zu sprechen, dann im Rhythmus zu sprechen, dann ohne Rhythmus zu singen und erst, wenn ich das Stück schon viele Male wiederholt habe, mit dem Pianisten zu erarbeiten. Es ist letztlich wie Stricken oder Sport – eine Sache des Übens.

Sie haben ursprünglich Schauspiel studiert – sagten aber einmal, das sei anfangs Hindernis anstatt Hilfe gewesen. Warum?

KS Tomasz Konieczny: Ich habe Filmschauspiel studiert, dabei lernten wir ganz kleine Bewegungen und haben uns im Ausdruck begrenzt. Als ich erstmals Oper sang, konnte ich weder die Hände ausstrecken noch mich markant bewegen. Ich musste mich erst auf größere Ausdrucksmittel umstellen.

Sie werden im Herbst erstmals Barak an der Wiener Staatoper singen, eine Rolle, mit der Sie in Deutschland schon Erfahrungen gemacht haben. Was schätzen Sie an dieser Partie?

KS Tomasz Konieczny: Ich liebe diese Rolle. Sie ist wunderbar geschrieben, es ist eine sehr berührende Geschichte. Ich sehe durchaus auch eine Verbindung zwischen Barak und Danton, so verschieden sie sind – aber beide sind sehr gelassen und nehmen alles, wie es ist. Während Cardillac, den ich auch wieder singen werde, sich verteidigen und nicht sterben will.

Das Gespräch führte Theresa Steininger


Gottfried von Einem
Dantons Tod
22., 26., 29. Mai 2019

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