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Mir ist die Ehre widerfahren...

Zehn Jahre lang war Dominique Meyer Direktor der Wiener Staatsoper, ab Sommer 2020 übernimmt Bogdan Roščić die Leitung des Hauses am Ring, Meyer wechselt als Generalintendant an die Mailänder Scala. Im Abschiedsinterview blickt er auf seine Dekade zurück.

Wann immer eine neue Funktion, vor allem eine Leitungsfunktion, angetreten wird, existieren Erwartungshaltungen, Ideen, Vorstellungen. Wenn Sie nun Ihre Überlegungen zur Wiener Staatsoper aus dem Jahr Ihrer Bestellung mit jenen von heute vergleichen: Wo liegen die Überlappungen?

Dominique Meyer: Deckungsgleich ist die Ansicht, dass es damals einen Bedarf an besseren Probebedingungen gab. Das war ein Projekt, das wir sofort in Angriff nahmen und es wurde im Lau­fe der Jahre vieles verbessert. Bis hin zur Errichtung einer neuen Probebühne im Arsenal oder zu veränderten Kollektivverträgen. Dazu kam, dass etliches aus dem Repertoire sowohl szenisch als auch musikalisch als auch technisch neu aufbereitet wurde. Ich erwähne stellvertretend nur die Rückkehr von Otto Schenk, der manche seiner Produktionen aufgefrischt hat. Eine zweite Idee, die mir damals wie heute wesentlich schien und scheint, ist die Fortentwicklung der Technologie im Haus. Das hat mit kleinen Dingen angefangen – mit den großen Bildschirmen statt den Fotokästen unter den Arkaden, dann kam das Streaming-System, es folgten die neuen Untertitel-Tablets, die inzwischen die Libretti in acht Sprachen anbieten, später die neue Beleuchtung des Saales mit LED-Licht, zuletzt die Digitalisierung von Noten. Am Rande sei der zweifache Relaunch der Webseite erwähnt, die Einführung neuer sozialer Medien wie Instagram und Facebook. Drittens: Es kam zur Erweiterung des Repertoires, einerseits in Richtung Barock, andererseits in die Moderne. In diesem Punkt würde ich heute allerdings anders vorgehen. Ich wollte zuerst das 20. Jahrhundert ergänzen und erneuern (z.B. Cardillac, Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, dem Janáček-Zyklus) und mich dann den zeitgenössischen Opern zuwenden. Schnell kam der Vorwurf, dass die Staatsoper keine zeitgenössische Musik spielt. Das war zwar ohnehin für die zweite Hälfte meiner Amtszeit geplant, aber würde ich heute neu anfangen, kämen die zeitgenössischen Opern gleich zu Beginn. Obwohl dieses Annähern an die Gegenwart auch einen Vorteil hatte: Wir konnten manchen an der Hand nehmen und nach und nach an die zeitgenössische Musik heranführen. Das Ergebnis jedenfalls ist gut: Klassiker der Moderne wie Wozzeck oder Lulu und die Opern von Janáček führten dazu, dass die Besucherzahlen, was das Zeitgenössische betrifft, gut waren. Schließlich die Ensemble-Pflege, die enorm wichtig ist: Mein Fehler war, dass ich anfangs sagte, dass wir ein Mozart-Ensemble entwickeln werden. Da dachten viele, dass das von heute auf morgen passiert. Aber natürlich braucht so etwas viel Zeit.

Der verstorbene Musikkritiker Franz Endler meinte einst, dass ein Kritiker ein Jäger ist, der die Guten hegt – und die Schwachen mitunter abschießt. Was ist ein Direktor? Ein Gärtner? Ein Familienvater?

Dominique Meyer: Ich fand es stets am Spannendsten, ein Potenzial zu entdecken. Wenn Sie einem Sänger beim Vorsingen zuhören, wissen Sie ja nicht viel über ihn: Ob er verlässlich ist, intelligent, fleißig, kollegial? Man hört nur eine Stimme. Wenn man ihn engagiert, muss man ihn oder sie in der Entwicklung begleiten, ich habe viele Stunden in meinem Büro mit Gesprächen verbracht: Manchen geht einiges zu schnell, anderen zu langsam, manche haben Angst, haben eine falsche Selbstsicht, dann wieder gesundheitliche oder persönliche Probleme. Es sind oft junge Leute, die von der Hochschule kommen, mitunter unerfahren sind. Ganz ähnlich ist es übrigens bei Tänzerinnen und Tänzern, wie oft sitzt man als Direktor um acht Uhr in der Früh im Büro, um einfach zu sprechen. Ein bisschen also eine Pater Familias-Situation. Man ist Gärtner, Familienvater, Diplomat, Psychologe, Krankenschwester, Betreuer.

Wie gelingt es in diesem ungewöhnlichen Betrieb, in dem jeden Tag eine unvorhergesehene Sache passiert, sich gut vorzubereiten und abzusichern?

Dominique Meyer: Das ist eine Sache der Zeit und der Erfahrung. Am Anfang meiner Karriere war für mich jede Absage eine mittlere Katastrophe, aber dann begriff ich, dass man das anders sehen muss: Es gibt hier eine tolle Mannschaft, ein wunderbares Betriebsbüro, eine außerordentliche Situation, dass vieles durch das Ensemble gecovert ist. Für die Rollen, die keine Zweitbesetzung am Haus haben, muss man jene im Auge behalten, die notfalls einspringen könnten. Meistens sind diese spontanen Umbesetzungssituationen schnell und ohne großen Nervenverschleiß gelaufen. Das ist auch das Schöne an der Staatsoper, dass man hier in Ruhe arbeiten kann.

Zur Frage des Verkaufen-Müssens: Wie „populistisch“ soll man als Staatsoperm-Direktor sein, wie weit hat man seinem Publikum entgegenzukommen?

Dominique Meyer: Ich gehöre zu jenen, die Respekt vor dem Publikum haben. Ich kannte das Publikum in Lausanne, in Paris – und ich kenne es in Wien. Viele Zuseher sogar persönlich. Nicht wenige von jenen, die in die Vorstellung gehen, sind gebildet und haben großes Wissen. Man sollte nie so eingebildet sein und sagen: Das sind Leute, die glauben zu wissen, aber letztlich keine Ahnung haben. Denn das stimmt nicht. Ganz im Gegenteil! Das Publikum kennt sich aus! Direktoren müssen freilich Kenntnisse haben, die darüber hinausgehen, das ist klar. Weil sie vieles gehört haben, weil sie reisen und sich den ganzen Tag mit Fachfragen beschäftigen. Ich habe mein ganzes Wissen aus Leidenschaft gewonnen, viel gehört, viel erlebt. Ich habe Konzerte, Opern programmiert und ich kenne das Repertoire. Manchmal kann es also die Aufgabe des Direktors sein, die Zuschauer in eine Richtung zu führen, an die sie vielleicht nicht gedacht haben. Man kann ihnen etwas zeigen, was sie vielleicht nicht kennen. Was ich aber nicht glaube ist, dass ein Direktor einen besseren Geschmack als das Publikum hat. Denn, seien wir ehrlich: Sehr vieles ist eine persönliche Vorliebe, die nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch von Land zu Land sehr verschieden sein kann.

Einer ihrer Vorgänger, Egon Seefehlner, meinte, dass man als Direktor einfach nur jene Stücke als Premiere ansetzen muss, die man selber gerne hat. Und schon steht der Spielplan.

Dominique Meyer: Das finde ich nicht. Ich habe viele Stücke gespielt, die ich persönlich gar nicht so sehr mag. An der Wiener Staatsoper geht es ja um das Interesse des Hauses: Man muss unterschiedliche Stücke planen, die einen ausgewogenen Spielplan ergeben, dazu kommen die technischen Gegebenheiten des Hauses, die Kollektivverträge. Manche Stücke füllen die Kassen, andere nicht. Manchmal ergibt sich eine Besetzung, die ein bestimmtes Werk geradezu fordert. Dann gibt es Grundbausteine des Repertoires, Mozart, Strauss, Wagner. Das ist aber noch nicht alles: Wenn man die Geschichte des Wiener Repertoires studiert, sieht man, dass die Staatsoper in Wahrheit eine sehr italienische Oper ist, viel italienischer als deutsch. Es gibt kein vergleichbares Haus in Italien, an dem so viele entsprechende Stücke zu erleben sind wie hier. All das muss in einen Spielplan einfließen, und bevor ich hierherkam, studierte ich das sehr genau. Natürlich gönnt man sich auch Wünsche, doch in erster Linie hat man als Direktor eine Verantwortung, und weder das Haus, noch das Publikum sind ein Spielzeug. Die Staatsoper ist eine österreichische Nationalinstitution, für die man arbeiten darf.

Wer ist eigentlich der nächste Partner des Operndirektors? Gibt es einen? Oder ist man als Direktor einsam?

Dominique Meyer: Ich habe mich jedenfalls nie einsam gefühlt. Der nächste Partner war für mich Thomas Platzer, der kaufmännische Leiter. Und die Menschen, die jeden Tag mit mir gearbeitet haben, Studienleiter, Oberspielleiterin, Betriebsdirektorin. Oder in der Momentaufnahme: Der nächste Partner ist immer der, der mir hilft, das nächste Problem zu lösen. Was mich aber immer begeistert hat war, dass man in einem Haus wie der Staatsoper mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu tun hat, und sie alle die Begeisterung teilen. Alle gehörten zu diesem Kosmos Staatsoper, und es ist schön, sie alle zu kennen.

Das Repertoire umfasste in den letzten zehn Jahren, die Kinderoper eingerechnet, über 120 Werke. Inwiefern verfolgten Sie damit eine bewusste Strategie der Verbreiterung des Angebots?

Dominique Meyer: Manchmal entsteht der Eindruck, dass das Repertoire der Wiener Staatsoper eine gegebene Größe ist, eine Einheit, die irgendwann vom Himmel gefallen ist. Wenn man sich aber ein wenig mit der historischen Dimension beschäftigt, dann merkt man, dass dem gar nicht so ist. Es gab Moden. Es gab Tendenzen. Es gab Lücken. Das Repertoire ist etwas Lebendiges, Sich-Entwickelndes, das manchmal in diese, dann wieder in jene Richtung verläuft, mitunter wächst oder auch schrumpft. Mir war es wichtig, jedes Jahr zumindest eine Oper zu bringen, die hier am Haus noch nicht erklungen ist – alleine schon dieses Vorhaben verändert die Struktur des Repertoires. Dazu kamen einige Stücke, die lange nicht mehr gespielt worden waren, aber für ein solchen Haus sehr wichtig sind. Und schließlich Werke, die man vielleicht nicht regelmäßig spielen kann, aber dann und wann an einem so außerordentlichen Haus auftauchen sollten, zum Beispiel Les Troyens oder Več Makropulos.

Die Funktion des Wiener Operndirektors ist klischeebelastet. Man spricht immer wieder von Stolpersteinen in Form von Intrigen und Neid. Dieses Klischee war Ihnen bekannt, bevor Sie antraten?

Dominique Meyer: Man warnte mich in höchstem Maße. Viele Dirigenten zum Beispiel sagten: „Geh nicht!“ Und alle Fragen, die man mir anfangs gestellt hat, gingen in diese Richtung. Kollegen blickten mich mitleidig an, so wie einen, der an einer tödlichen Krankheit leidet. Da dachte ich mir: „Jetzt musst du Abstand gewinnen und dich mit konkreten Zahlen beschäftigen, um aus dieser seltsamen Stimmung und den Vorhersagen wieder heraus zu finden“. Freilich, wenn man aus dem Ausland nach Wien kommt, merkt man sofort, dass hier vieles anders ist als in anderen großen Städten. Ein Beispiel: Als ich in Paris Direktor war, veranstaltete ich jedes Jahr eine Pressekonferenz und gab zwei Interviews – das war’s! Mehr nicht! Denn in Paris hofft die Presse, dass ein Direktor nichts sagt, weil die Zeitungen ohnehin zu wenig Platz haben. In Wien hofft die Presse, dass ein Direktor sich zu Wort meldet – zu den unterschiedlichsten Themen. Man kann auch nicht unerkannt spazieren gehen, sondern wird angesprochen – kein Tag in den letzten zehn Jahren, an denen das nicht passiert wäre. Die Leute sind immer freundlich, immer interessiert, aber man steht unter Beobachtung. Das ist etwas, an das ich mich erst gewöhnen musste. Nun aber etwas ganz Wichtiges: Das hat nichts mit der Person zu tun, sondern nur mit dem Amt des Operndirektors. Die Menschen waren nicht an Dominique Meyer interessiert, sondern am Direktor. Das darf man nicht verwechseln.

Also keine schlechten Erfahrungen?

Dominique Meyer: Es gibt drei Kreise. Nummer eins: das Haus. Da war alles wunderbar, die Liebe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Musiktheater, das Engagement, die Fähigkeiten zur Zusammenarbeit, die Begeisterung, die Kompetenz... Ich fühlte mich immer wohl und war glücklich. Nummer zwei: das Publikum. Auch da machte ich gute Erfahrungen. Anfangs dachte ich, vielleicht heißt es: „Der Franzose“ oder „Der Ausländer“. Das habe ich in zehn Jahren genau fünfmal gehört – und davon zweimal von derselben Person, das war also absolut kein Thema. Das ist ein Vorurteil, dass die Wiener so sind. Ich wurde sehr positiv empfangen, gut behandelt. Aber es gibt eine dritte Ebene, das sind „Fachleute“, die rund um die Oper kreisen, und manche von ihnen glauben, sich alles erlauben zu dürfen, sie glauben, dass ihr Geschmack der beste und einzig wahre ist, und sie glauben, eine Entscheidungsgewalt zu besitzen. Diese Leute sitzen bei Abendessen, in Klubs und halten sich für Meinungsmacher, verfolgen aber rein persönliche Ziele. Und da wird wirklich intrigiert. Wobei ich denke, dass der Einfluss dieser Gruppe weniger und weniger wird, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Also, unterm Strich muss ich sagen, dass man es als Operndirektor in Wien sehr sehr gut hat. Es gibt eine Liebe des Publikums zum Haus, eine Liebe der Künstlerinnen und Künstler zum Haus, es gibt offene Herzen und offene Ohren. Wenn man bedenkt, wie heftig in der Vergangenheit Operndirektoren attackiert wurden, bis hin zu ihrem Tod, dann muss man sagen: Dieses Gift ist heute kaum mehr da. Mit mir wurde jedenfalls gut umgegangen.

Premieren bereitet ein Haus sechs Wochen vor, das Repertoire kann nicht so ausführlich geprobt werden. Wie gingen Sie damit um, dass nicht jeder Abend eine Premiere sein kann?

Dominique Meyer: Mein Credo war stets, dass die Leistung, die man dem Zuschauer, der Geld an der Kassa lässt, bietet, immer stimmen muss. Sagen wir, die Staatsoper spielt sechs Opernpremieren, dann bleiben immer noch ungefähr 220 Abende Repertoire. Die müssen gut sein – und sie sind es auch, denn das Haus ist hier sehr stark! Die große Mehrheit der Repertoirevorstellungen ist viel besser als an anderen Häusern. Ich habe hier Salome, den Ring, Elektra und anderes auf einem Niveau gehört, das man anderswo kaum hört, nicht einmal bei Premieren. Und das nicht nur bei Strauss und Wagner. Wenn man am Abend in die Loge geht und eine gut aufgestellte Besetzung den Barbier von Sevilla spielt, kann man Großartiges erleben. Selbst wir, die viel gehört haben, sitzen da und sind, wie jeder andere Opernliebhaber, einfach verzaubert. Es kann natürlich vieles schiefgehen, das ist klar. Aber auch eine Premiere kann Schwächen haben, alleine schon, weil der Druck, der sich an einem solchen Abend aufbaut, so groß ist.

Nach welchen Kriterien haben Sie Inszenierungen und Regisseure ausgewählt?

Dominique Meyer: Meine Idee war immer, dass die Inszenierungsarbeit international ist. Es soll nicht nur eine Sicht auf die Oper geben. Ich wollte Regisseure aus vielen Ländern, viele Stile, ich wollte es bewusst mischen. Für mich muss der Horizont der Wiener Staatsoper sein: London, Berlin, Paris, Mailand, New York.

Darf man sich als Direktor Zweifel erlauben? In puncto Barockoper haben zum Beispiel viele gesagt: Das wird nicht funktionieren! Gab es einen Moment des Zweifels? Der Letzte, der hier Barock gespielt hat, war Karajan, aber mit großem, romantischem Orchester.

Dominique Meyer: Ich habe oft Zweifel – aber nicht in diesem Punkt, denn da hatte ich zu viel Erfahrung, um nicht zu wissen, dass es klappen wird. Denn wo liegt der Unterschied, ob Frau Harteros ein Mozart-Rezitativ mit Cembalo-Begleitung singt oder eines von Händel? Akustisch ist es das gleiche! Ich holte ein Barockensemble, das nicht zu klein ist und einen Dirigenten – Marc Minkowski – der es deftig mag. Und ich setzte ein Stück an, dass zumindest als Name gut bekannt ist: Alcina. Dazu international wichtige Sängerin- nen und Sänger. Seien wir ehrlich – eine Alcina mit Anja Harteros: da kann nicht viel schiefgehen.

Empfinden Sie Theater als eine große, gesellschaftspolitische Werte-Maschine, die die Welt verbessern, politische Meinungen verbreiten kann?

Dominique Meyer: Ja, natürlich! Theater kann das! Es gibt stets eine Interaktion zwischen Gesellschaft und den Institutionen, die auf den Menschen, auf die Menschen einwirken. Das ist ein Grundaspekt des Theaters. Wobei man natürlich nicht einfach naiv sagen kann: Kultur macht einen Menschen prinzipiell besser. Dafür gibt es zu viele Gegenbeispiele, die zeigen, wie sehr Kunst missbraucht wurde. Auch die Nazis sind in die Oper gegangen. Und dann wiederum wurde Kultur als Selbstdarstellung verwendet, die Geschichte ist voll von diesen Beispielen. Es kommt also auch auf den Einsatz von Kunst an. Ich bin aber überzeugt, dass eine gebildete Gesellschaft eine bessere ist, und die Oper an einem Kreuzungspunkt so vieler Genres und Gebiete liegt, ja geradezu die zentrale Kreuzung ist. Daher kann Musiktheater den Geist für so vieles öffnen und kann so inspirierend und befruchtend sein. Das Interesse für Geschichte, für Gesellschaft, für Politik, für Psychologie, für Mythologie, für Kunstgeschichte, für so viel anderes – all das kann die Oper wecken. Manchmal beleuchtet ein Stück die Geschichte, manchmal beleuchtet ein Stück die Gegenwart, aber immer beleuchtet sie uns und unser Zusammenleben. Daraus kann man, wenn man guten Willens ist, etwas lernen. Ich möchte freilich gerne, dass die Kultur die Welt verbessert – wir sind aber immer wieder gezwungen, die Grenzen der Wunscherfüllung zu erkennen.

Letzte Frage: Wenn Sie sich von Ihren verstorbenen Vorgängern einen Direktor als Gesprächspartner wünschen dürften – wer wäre es? Und worüber würden Sie sprechen?

Dominique Meyer: In meinem Zimmer hängen zwei Bilder: eines von Richard Strauss und eines von Gustav Mahler. Ersteren schätze ich als Komponisten, seinen Spielplanideen, wie er sie Karl Böhm übermittelt hat, möchte ich allerdings nicht folgen. Zweiteren schätze ich als Komponisten und als Direktor, mit ihm würde ich mich gerne unterhalten. Und worüber? Das bleibt unser Amtsgeheimnis!

Das Interview führten Dr. Andreas und Dr. Oliver Láng.