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Im Portrait: Annika Gerhards

Selbst solche Sänger, die im Allgemeinen eher weniger gut auf Kollegen zu sprechen sind, loben Annika Gerhards (auch hinter ihrem Rücken) in den höchsten Tönen. Kein Regisseur, Regieassistent oder Dirigent, der von den vokalen wie schauspielerischen Qualitäten der jungen deutschen Sopranistin nicht begeistert wäre. Im Dezember 2013 kam die mit zahlreichen Preisen bedachte Sängerin ins Ensemble der Wiener Staatsoper, wo sie seither behutsam aufgebaut wird. Ihr Debüt im Haus am Ring gab sie im Jänner 2014 als Giannetta im Liebestrank, einer „typischen Wiener Einsteigerrolle“ wie sie schmunzelnd anmerkt. Seither folgten Partien wie der junge Hirt im Tannhäuser (unter Peter Schneider), Waldvogel in Siegfried (unter Simon Rattle), Modistin im Rosenkavalier (unter Kirill Petrenko und Adam Fischer) sowie Papagena und Marzelline (u.a. unter Adam Fischer). Darüber hinaus begeisterte sie in der Premierenbesetzungder Kinderopernfassung von Lortzings Undine in der Titelpartie. Wie empfand nun Annika Gerhards den „Sprung“ in das Opernhaus mit dem weltweit größten Repertoire? „Es war zunächst ungewohnt, weil ich mehr oder weniger direkt nach dem Studium in Frankfurt hierherkam“, erzählt sie im Gespräch mit dem Prolog. „Aber ich glaube, dass es für mich eine gute Schule war und ist, weil man sehr flexibel sein muss, sich auf unterschiedliche Rollen einstellen sollte und innerhalb kürzester Zeit viele Partien lernt, also nicht nur jene, die dann wirklich zum Einsatz kommen. Außerdem arbeitet man mit sehr vielen verschiedenen Menschen zusammen – kurzum: es macht großen Spaß!“ Tatsächlich stand Annika Gerhards in weiteren rund 15 Rollen als Cover zur Verfügung und wäre im Notfall auch eingesprungen. Bei einer der Fidelio-Serie wurde genau dieses Szenario Realität. „Ich hatte nur ganz wenige Tage Zeit, um die Marzelline zu wiederholen – es war also ein großes Glück, dass ich schon Wochen zuvor theoretisch bereit gewesen wäre. Trotz der großen Anspannung waren diese Tage und Stunden jedoch in jeder Hinsicht im positiven Sinn unvergesslich, großartig, auf welche unterstützende Weise alle im Team hinter mir gestanden sind und mich unterstützt haben. Eine schöne Erfahrung.“ In ihrer ersten Wiener Zeit fühlte sich Annika Gerhards in Österreich noch etwas heimatlos, obwohl, wie sie lachend feststellt, „die Sprachen der beiden Länder ja annährend gleich sind“. Doch nach und nach lebte sie sich in dieser Stadt des „Kulturüberflusses“ ein, baute sich einen Freundeskreis auf und wurde ein wichtiges Mitglied der doch sehr großen Ensemblefamilie der Staatsoper. „Mit manchen der Kollegen gab es schon bald eine sehr gute persönliche Basis, vor allem, wenn man des Öfteren gemeinsam auf der Bühne gestanden ist. Manche dieser ‚Familienmitglieder‘ würde ich allerdings gerne häufiger treffen.“

Eine ganz große Liebe empfindet Annika Gerhards zu den Werken von Richard Strauss, vielleicht auch deshalb, weil sie schon eine große Zahl seiner Lieder in Konzerten interpretieren durfte. Wenn Gerhards seine Musik hört, regt sich in ihr „ein sehr warmes, angenehmes Gefühl“. Zu den weiteren Lieblingskomponisten im Opernsektor zählt sie allen voran Puccini, auch wenn sie derzeit als Interpretin noch weniger in Berührung mit seinem Werk kommt. Freuen würde sie sich außerdem auch noch über die eine oder andere Mozart-Partie, aber Annika Gerhards weiß, dass die Zeit ohnehin für sie arbeitet. In der sogenannten Sängerloge auf dem Balkon ganz links sieht man sie auf jeden Fall relativ häufig, wenn sie an freien Abenden oder nach Probenschluss Teile oder ganze Opernvorstellungen interessiert mitverfolgt.

Steht Annika Gerhards selbst auf der Bühne, ist sie meist schon relativ früh im Haus, da sie lange Vorbereitungszeiten schätzt und vor dem Auftritt außerdem gerne noch 20 Minuten für sich haben möchte, um alles in Ruhe durchgehen zu können.

„Ich genieße es, dass man hier an der Wiener Staatsoper meistens allein in der Garderobe ist und sich das Zimmer nicht, wie in vielen kleineren Häusern, teilen muss. Schließlich hat jeder seine eigenen Rituale und es ist vorteilhaft, wenn man die eigenen in Ruhe ausleben kann.“ Die ihrigen lauten: In eine quasi meditative Ruhehaltung kommen und die ersten Worte von jedem Auftritt durchsingen. Die Motivation, diesen insgesamt doch recht fordernden Sängerberuf auszuüben, vermutet sie in der Sucht nach Publikum und Bühne, die jeden Bühnenmenschen ergreift, der einmal Blut geleckt hat. „Natürlich muss man die eigenen Nerven, das Lampenfieber überwinden, aber dieses positive Gefühl, das ich nicht beschreiben kann und einen jedes Mal ergreift, wenn man auftritt, möchte man immer wieder genießen und zwar in den unterschiedlichsten Gattungen, sei es Oper, Konzert oder Liedgesang. Vielleicht, weil wir ja alle irgendwie Rampensäue sind und das Bedürfnis verspüren, uns und unsere Kunst zu zeigen. Oder anders gesagt: Natürlich steht die Musik im Vordergrund, aber wir finden es auch ganz toll dort vorne im Scheinwerferlicht zu stehen.“ Fest vorgenommen hat sie sich – auch für die Zukunft – jede Vorstellung, und sei es die 500. einer bestimmten Rolle, als Möglichkeit zu etwas ganz Neuem wahrzunehmen und nicht als Routinenotwendigkeit, bei der man eine Version vom Vortag abspult. „Ich will versuchen, diesen Drang, den ich derzeit an jedem Abend verspüre, etwas auszuprobieren, zu kreieren, im Moment lebendig werden zu lassen, zu kultivieren. Schließlich funktioniert genau dieser spannende und belebende Moment meines Berufes im Letzten immer nur während der Vorstellung, ist also nie im Voraus während einer Probe hundertprozentig kalkulierbar.“

Andreas Láng