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Held ohne Weltschmerz

Der Danton ist keine Allerweltrolle, sondern eine Partie, die einem Sänger nur selten begegnet. Worin liegt für Sie der Reiz an dieser Ausnahme? Dass Sie sich jenseits ausgetretener Pfade bewegen? 

Wolfgang Koch: Ich würde sagen, dass es mehrere Gründe sind. Zunächst einmal ist es immer spannend, die von Ihnen angesprochenen Pfade zu verlassen und Partien jenseits des üblichen Repertoires zu singen. Vor allem aber ist Dantons Tod ein absolutes Meisterwerk (wie auch schon Büchners Drama) und, neben Der Besuch der alten Dame, die beste Oper von Einem. Und der Danton ist eine absolute Paradepartie für einen Bariton, die in der Vergangenheit ja auch von großen Sängern – von Schöffler bis Waechter – gestaltet wurde. Es gibt unglaublich dramatische Stellen, intime Passagen und – was die Gefängnisszene betrifft – manchmal fast mystische Augenblicke. 

Im Gegensatz zu einem Holländer oder Amfortas besteht das Los des Danton allerdings darin, dass man ihn als Sänger nicht quer durch diverse Opernhäuser singen kann. 

Wolfgang Koch: Tja, das ist sein Schicksal. Aber man kann sein Sängerleben ohnehin nicht nur mit vier oder fünf berühmten Rollen verbringen – das wäre auf Dauer doch sehr ermüdend. Dass ich den Danton nicht laufend singen werde, nehme ich gerne in Kauf. Wie ich es beim Lear, bei Schönbergs Von heute auf morgen, bei Busonis Faust, Hindemiths Mathis der Maler – oder sogar bei Pfitzners Palestrina in Kauf genommen habe. Das sind ja alles keine typischen Repertoirestücke. Und doch sind das alles Monolithe der Operngeschichte, die mich als Sänger sehr glücklich gemacht haben. 

Und wie lernen Sie eine Rolle wie den Danton? Schaffen Sie sich Bezugspunkte, von denen Sie ausgehen, Verknüpfungen zu anderen Partien? 

Wolfgang Koch: Zunächst höre ich mich gut ein, indem ich die unterschiedlichsten Aufnahmen heranziehe – da ist das Angebot bei Danton naturgemäß überschaubar. Da geht es noch nicht ums Lernen, sondern einfach um eine Art Verortung, um ein Gewinnen eines ersten Eindrucks. Danach geht erst der eigentliche Lernprozess los. Und das bedeutet: Man wendet sich an einen Korrepetitor (und mit guten Korrepetitoren ist die Staatsoper ja gesegnet) und arbeitet und arbeitet und arbeitet. So erschließt sich einem das Werk… 

Dieses arbeiten, arbeiten, arbeiten: läuft das nach einem System ab? 

Wolfgang Koch: Nach einem ganz einfachen System: Ich wiederhole eine Partie so lange, bis ich sie wirklich kann. (lacht) Ich lerne sehr körperlich, das bedeutet, dass ich mir eine Rolle im wahrsten Sinne des Wortes „reinsinge“, was wiederum einiges an Stimmsubstanz erfordert. Diese Herummarkiererei, also das Sparen mit der Stimme, bringt meiner Ansicht nach nicht viel. Natürlich kann man nicht immer alles aussingen, aber eine Rolle muss dennoch in die Stimme hineinwachsen, sie muss ins Muskelgedächtnis übergehen – und das ist tatsächlich eine sehr körperliche Sache. Und diese Verbindung des Gesungenen mit dem Körperlichen unterstützt den Lernprozess enorm. Und beschleunigt ihn. 

Ist es bei einem Bühnencharakter wesentlich, ob die Figur tatsächlich gelebt hat? 

Wolfgang Koch: Nein, Musik und Text sind davon unbeeinflusst. Eine Bühnenfigur ist immer ein Produkt künstlerischer Fantasie, wir spielen auf der Opernbühne ja keine Dokumentationen. Richard III. ist bei Shakespeare der schrecklichste Charakter, das war er in der geschichtlichen Realität allerdings nicht. Opernfiguren entstehen aus der künstlerischen Freiheit. 

Und der Opern-Danton ist demnach…? 

Wolfgang Koch: Ein charismatischer Anführer, aber kein Ideologe wie Robespierre. Der Opern- Danton ist ein Mensch, der allen möglichen Genüssen nicht abgeneigt ist, aber dennoch die Kraft als Revolutionsführer hat. Er wird auch nicht in den Strudel der Ereignisse hineingezogen, sondern ist sich stets bewusst, was er macht und wie das enden kann. Danton rechnet stets mit seinem Tod: dieses Wissen entspringt seiner Intelligenz! 

Das Volk, das gerade in dieser Oper eine große Rolle spielt, wird wankelmütig gezeigt. Packt Sie bei Dantons Tod mitunter der Weltschmerz, gerade was die Wankelmütigkeit einer Gesellschaft betrifft? 

Wolfgang Koch: Ich kann ja nicht nur den Barbier singen! Aus diesem Alter bin ich nun wirklich heraus. Nein, würde ich mich vom Weltschmerz packen lassen, dann käme ich in den meisten Opern aus dem Zerfließen gar nicht mehr heraus. 

Danton ist ein mehrfärbiger Charakter, jedenfalls nicht in schwarz oder weiß gehalten. Haben Sie mitunter Sehnsucht nach einer ganz einfarbigen, ganz klaren Figur? 

Wolfgang Koch: Im Gegenteil! Ich liebe die Figuren, die zwischen Schwarz und Weiß wechseln, die ganz viele Graustufen haben. Das Vielschichtige zieht mich an, und dieses Vielschichtige zu ergründen, auch musikalisch, ist eine Lebensaufgabe. Mit der man ja nie ganz fertig wird. 

Aber man hofft dennoch, dass man es irgendwann ergründet hat und doch fertig wird? 

Wolfgang Koch: Ja, man belügt sich immer wieder ein wenig. (lacht) 

Aber müssen Sie eine Figur, die Sie darstellen, mögen? 

Wolfgang Koch: Ich muss sie interessant finden. Wenn ich sie zu sehr mag, wird es leicht kitschig. Wenn ich sie gar nicht mag, kann ich sie nicht singen. Interessant ist der richtige Zustand. 

Danton ist – im Gegensatz zu manch anderer Ihrer Rollen – zumindest keine sehr lange Partie. Worin liegt beim Danton die Herausforderung? 

Wolfgang Koch: Jedenfalls ist es entgegenkommend, dass die Rolle überschaubar ist. Die Herausforderung liegt, wie so oft, in den Zusammenhängen. Natürlich gibt es immer ein paar Stellen, die man in den Griff bekommen muss. Aber wichtiger ist es, genau zu wissen: Wenn ich an der Stelle A dieses und jenes mache, hat es Auswirkungen auf die Stelle B. Beim Hans Sachs zum Beispiel: Wenn man beim Schusterlied im 2. Akt zu wenig auf Linie singt und zu viel gibt, dann wird man im 3. Akt manifeste Probleme bekommen. 

Ist das etwas, was man einmal im Rahmen einer Aufführung erlebt haben muss? 

Wolfgang Koch: Nein, um Gottes Willen! Das merkt man schon beim Studieren. Ganz generell: Egal was man singt, vor allem aber Wagner und Strauss, die Prämisse muss immer sein, dass man sängerisch an die Sache herangeht und nicht einfach expressiv und mit großer Kraft draufdrückt. Selbst bei Wagner muss das möglich sein. Und nur, wenn man all diese Partien so angeht, als ob man eine italienische Oper singen würde, überlebt man gewaltige Stücke wie die Meistersinger. Alles andere bringt einen schnell, sehr schnell an die Grenzen. 

Oliver Láng 


Gottfried von Einem
Dantons Tod

Premiere: 24. März 2018 
Reprisen: 27., 31. März, 3., 6., 9. April 2018 

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