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© Jürgen Hofer

"Die Intensität der Musik hat mich umbrandet"

Vor rund zwei Jahren hat das Staatsopernensemblemitglied Regine Hangler die berüchtigt schwierige Titelpartie in Strauss’ Daphne in Berlin unter Marek Janowski und in Cleveland sowie New York unter Franz Welser-Möst mit fulminantem Erfolg gesungen. Nun wird sie diese mythologische Figur, die der körperlichen Vereinigung mit dem Gott Apollo durch die Verwandlung in einen Lorbeerbaum entflieht, endlich auch in der vielgelobten Inszenierung im Haus am Ring gestalten. Wenige Wochen vor der ersten Vorstellung traf ich die Sopranistin zu einem Gespräch in der Kantine der Staatsoper, wo sie sich, in den Klavierauszug dieser Oper versenkt, intensiv mit dem Werk auseinandersetzte.

Sie haben mehrfach eindrücklich unter Beweis gestellt, dass Sie die Daphne, wie man so schön sagt, „drauf “ haben. Trotzdem beschäftigen Sie sich schon eine beträchtliche Zeit vor Ihrem Staatsopern-Rollendebüt gründlich mit dieser Partie, nehmen fast täglich Korrepetitionsstunden, um an ihr zu arbeiten…

Regine Hangler: Wissen Sie, seit meiner letzten Daphne ist doch schon etwas Zeit vergangen und somit bin ich, glücklicherweise, um einige Erfahrungen reicher geworden, habe mein Repertoire vergrößert respektive verändern dürfen. Das führt aber gleichzeitig dazu, dass der persönliche Zugang zu einer bereits früher gesungenen Rolle ein anderer wird. Bewusst aber auch unbewusst. In der Daphne-Partitur erlebe ich nun vieles intensiver, die Aussagen erhalten für mich zusätzliche Bedeutungsebenen, ich erkenne detailreichere Farbnuancen. Zudem ist meine Stimme dramatischer geworden. Außerdem sehe ich heute klarer, wie Strauss, der mit dem Gregor-Libretto ja bekanntlich unglücklich war, die Ovid-Vorlage verstanden hat, nämlich weniger im antiken Sinn als im christlichen Kulturkreis verankert: Daphne hält bei Strauss die Mitte zwischen dem Göttlichen und dem Materialismus. Von all dem abgesehen schleichen sich unbemerkt kleine Fehler ein, die wieder ausgemerzt gehören.

Sie haben an der Staatsoper zwar mittlerweile auch die Chrysothemis verkörpert, doch die Daphne war früher dran. Ist es nicht unüblich, die Strauss-Karriere mit dieser extrem herausfordernden Rolle zu beginnen?

Regine Hangler: Jede Strauss-Partie hat ihre Tücken und jede Stimme ist anders geartet. Vielleicht ist es daher gar nicht so ungewöhnlich, mit der Daphne zu beginnen, denn die Partie ist immer wieder sehr hoch – sie schraubt sich geradezu immer weiter hinauf – und wann hat man als Sängerin am ehesten die Höhe? Nicht unbedingt am Ende der Laufbahn (lacht).

Ja, aber man hört von Sängerinnen immer wieder, dass die Daphne wirklich eine Art Grenzpartie ist…

Regine Hangler: Das habe ich von Kolleginnen auch schon gehört (lacht). Nein, Spaß beiseite: Es ist wahr – man ist als Daphne fast unentwegt auf der Bühne, hat ein großes, mächtiges Orchester als Gegenüber, dazu recht dramatische Arien mit großen Ausbrüchen, die schon ein bisschen in Richtung Elektra gehen – und muss dann plötzlich wieder ins Lyrische, fast Soubrettige zurückschalten. Dazu kommen recht komplexe harmonische Strukturen, die man genau im Kopf haben sollte, um die Intonation halten zu können. Doch das alles funktioniert dennoch ganz gut (was übrigens das kompositorische Können von Strauss unterstreicht), wenn die Interpretin a.) eine funktionierende Technik hat und b.) ihre Emotionen während der Vorstellung nicht durchgehen.

Emotionen durchgehen heißt konkret …?

Regine Hangler: Nur ein Beispiel: In dem Moment in dem Leukippos stirbt, wird die Musik unglaublich berührend, sie fasst einen geradezu und schreibt sich in die Seele ein, sodass ich mich auf der Bühne regelrecht zusammenreißen muss, um nicht tatsächlich in Tränen auszubrechen. Wenn das passierte, wäre das Nachfolgende der Partie kaum zu bewältigen. Und solche Stellen gibt es in der Daphne mehrere.

Können Sie noch einige nennen?

Regine Hangler: Dieses Zwiegespräch mit der Geige in meiner ersten Arie etwa ist unendlich berückend, oder auch die Passage, wenn der Männerchor einsetzt und nicht zuletzt die kontrapunktische Verwandlungsmusik gegen Ende der Oper: Sie beginnt in der Tiefe und man spürt und erlebt förmlich wie sich das Wurzelwerk um die Daphne zu ranken beginnt, nach und nach emporwächst und die junge Frau umschlingt – ich finde, hier hat uns Strauss mit einer der schönsten Orchestermusiken der gesamten Musikgeschichte beschenkt.

Haben Sie diese beglückenden Stellen schon beim Studieren für sich entdeckt?

Regine Hangler: Als ich die Anfrage bekam, die Daphne zu erlernen und daraufhin diverse Aufnahmen anhörte, die Noten las, war ich fast schockiert: Die Intensität dieser Musik hat mich zunächst so umbrandet, dass ich die Oper vorerst gar nicht in ihrer Komplettheit anhören wollte, sondern nur stückchenweise. Aber nach und nach packte mich ein Daphne-Rausch, der mich richtiggehend bis heute nicht losgelassen hat.

Das heißt, Sie wären untröstlich, wenn Sie eines Tages die Daphne ad acta legen würden?

Regine Hangler: Das nicht. Ich bin nicht der wehmütige Typ. Wenn eine Rolle für mich Vergangenheit wird, bin ich dankbar, sie gemacht zu haben und schaue neuen Aufgaben entgegen.

Sie sind dann wahrscheinlich auch nicht so sehr der selbstzweiflerische Interpret, der nach einer Vorstellung mit der eben abgelieferten Leistung ringt?

Regine Hangler: (lacht) Nein, bei Gott nicht, das Selbst-Peinigen hat meiner Meinung nach wenig Sinn. Natürlich reflektiere ich, um zu erkennen, wo ich etwas anders machen könnte und natürlich gibt es bessere und schlechtere Aufführungen. Aber ganz grundsätzlich sollte man nicht an einzelnen Details kleben bleiben, die vielleicht nicht funktioniert haben, sondern den Abend als Gesamtheit sehen. Es gehört zu unserem Beruf einfach dazu, sich absturzgefährdet auf einem schmalen Grat zu bewegen, denn nur so kann das Göttliche in uns mitschwingen, nur so vermag ich andere zu berühren. Und natürlich besteht dann die Möglichkeit, dass einiges schief geht. Ich transformiere einfach meine Energie während der Vorstellung so gut ich kann in die Interpretation und versuche mich durch den Applaus des Publikums wieder aufzuladen.

Das Gespräch führte Andreas Láng


Daphne | Richard Strauss
 1., 4., 7. Dezember
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