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© Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Der Traum ein Leben

Seine Leibpartie, den Ochs im Rosenkavalier, hat er weltweit 170mal gesungen, davon 26mal an der Wiener Staatsoper. Weitere 40mal stand er auf der Staatsopern-Bühne, unter anderem als Claggart in Billy Budd, als Fasolt und Daland, als Gremin und Gurnemanz, als Marke und Arkel: ein Bass, der quer durchs große Repertoire seine Rollen gestaltet, von Wien bis New York, von London über Paris bis Berlin. In der Midsummer Night’s Dream-Premiere singt er nun Bottom, den er schon in Aix-en-Provence, Paris, London, Rom, New York, Barcelona, Glyndebourne und Chicago gestaltet hat. Ein Gespräch mit dem großen englischen Bass.

Wenn man in England geboren und aufgewachsen ist: befindet man sich mehr oder weniger automatisch in einer Britten-Tradition, die einen prägt?
Peter Rose: Das ist eine sehr gute Frage! Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob das automatisch so ist, zumindest kann ich nicht behaupten, eine automatisch einsetzende Tradition bei mir zu bemerken. Wenn ich mir meine – nicht opernaffinen – Freunde anschaue, muss ich feststellen, dass ihnen Britten sehr wenig sagt. Jedenfalls weniger, als einem Österreicher Mahler, Mozart oder Schubert. Ich würde sagen, der Bekanntheitsgrad von Britten entspricht ungefähr dem von Hindemith in Deutschland. In meinem Fall war es so, dass ich irgendwann eine sehr starke Beziehung zu Brittens Musik aufbauen konnte, eingeschlossen etliche Besuche an den Orten seines Lebens und Wirkens.

Zumindest aber Shakespeare ist tatsächlich allbekannt. Wirkt sich dieses Shakespeare-Wissen auf die Sicht auf Brittens Oper aus?
Peter Rose: Wie sich das Theaterstück zur Oper verhält ist eine ungemein spannende, aber für viele dann doch relativ theoretische Frage – zumindest für ein durchschnittliches Publikum. Das ist mehr etwas für Fachleute. Als Opern-Darsteller stellt sich freilich die Frage: Halte ich mich rein an das Musiktheaterwerk, als ob es keine Vorlage gäbe oder orientiere ich mich in meiner Interpretation auch an Shakespeares Werk? Eine knifflige Sache – ich weiß nicht, ob es da eine allgemeingültige Antwort gibt.

Sie sangen den Bottom international in vielen Produktionen, zwischen New York und Glyndebourne. Von allen Regiekonzepten abgesehen: Als was sehen Sie Midsummer Night’s Dream an? Als Märchen? Psychologische Couch? Analyse von Traum und Wirklichkeit?
Peter Rose: Ich würde sagen: All das, was Sie gerade genannt haben, ist in der Oper. Es ist immer nur eine Sache des Blickwinkels. Man kann zum Beispiel sagen, dass das gesamte Werk nur ein Traum ist, den irgendjemand träumt. Alles keine Realität ... Für mich persönlich steht fest, dass die ganze Bottom-Tytania-Geschichte sein Traum ist. Diese Verwandlung, dieses Was-auch- immer-es-Ist zwischen den beiden, das ist ein Traum, aus dem Bottom später erwacht. Und er versucht zu verstehen: Was ist passiert? Bilde ich mir das alles nur ein? Wer bin ich wirklich? Aber ohne Zweifel, etwas ist mit ihm geschehen, er ist danach ein anderer.

Ein guter Traum?
Peter Rose: Ein wunderbarer Traum! Es ist so unbegreiflich! Bottom meint ja: Kein Mensch kann das beschreiben. Ihm fehlen einfach die Worte. Was war, war so groß, so bedeutend, so faszinierend, dass er nur noch staunen kann.

Gleichzeitig ist es eine Reise, die er durchlebt.
Peter Rose: Der Traum ist eine Metapher für eine Reise. Eine Reise, die aus ihm einen neuen Menschen macht. Was wirklich war? Das ist eine der Fragen, die uns in diesem Stück gestellt werden ...

Eine zu beantwortende Frage?
Peter Rose: Ich versuche zumindest dann und wann, die Frage zu beantworten. Aber es ist fast so etwas wie eine Fleißaufgabe.

In der Theaterszene der Handwerker: Sehen Sie das als positive Art des Humors? Oder ist es ein bisschen von oben herab?
Peter Rose: Natürlich können sich die anderen denken: Furchtbar, das sind solche Amateure, die spielen einfach schreckliches, absurdes Theater. Aber andererseits glauben die Handwerker so sehr an das, was sie machen. Sie halten sich für großartig, sind aber so grauenhaft. Die Ernsthaftigkeit, mit der sie spielen, ist das Wesentliche. Sie glauben daran – das muss man so spielen und zeigen.

Nun gestalten Sie viele ausgesprochen großformatige Rollen wie Gurnemanz oder Ochs. Alleine von der hier viel schlankeren Orchesterbesetzung aus gesehen: Ist Bottom ein Spaziergang für einen Wagner/Strauss-geeichten Sänger?
Peter Rose: Natürlich, das Orchester hier ist kleiner, die Partie überschaubarer. Aber Britten hat eine ganz eigene musikalische Komplexität, die man erst einmal bewältigen muss. Genial gemacht, in einer ganz eigenen Logik. Unterschätzen darf man ihn aber beileibe nicht! Wobei es mir gar nicht um schwerer oder leichter geht: Brittens Sprache spricht einfach zu mir – und es ist eine herrliche, beglückende, geniale Musik!

Oliver Láng


Benjamin Britten
A Midsummer Night's Dream
Premiere: 2. Oktober 2019
Reprisen: 5., 9., 13., 17., 21. Oktober 2019

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