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Der Kraft der Musik gehorchend

Nach mehr als einem Vierteljahrhundert wird die inzwischen in die Jahre gekommene, nur mehr fragmentarisch vorhandene Staatsopern-Inszenierung der Elektra von einer Neuproduktion abgelöst. Mit Uwe Eric Laufenberg konnte jemand für die Regie gewonnen werden, der in den letzten Jahren nicht zuletzt als Strauss-Interpret international Marksteine setzte. Seine bejubelte Brüsseler Ariadne auf Naxos-Inszenierung beispielsweise wurde mittlerweile in sieben verschiedenen Städten mit großem Erfolg nachgespielt. Mit der Elektra debütiert er nun an der Wiener Staatsoper und gab knapp vor Probenbeginn das nachfolgende Interview.

Sehr geehrter Herr Laufenberg, Hofmannsthal wollte für seine "Elektra" ein suggestives Bühnenbild, aber auf keinen Fall eine antikisierende Szenerie mit griechischen Tempeln, dazu passenden Säulen und Portiken. Inwieweit sind solche Anweisungen für einen Regisseur bindend? Schon der berühmte Alfred Roller hat bei der Erstaufführung der Elektra an der Wiener Staatsoper mit seinem Bühnenbild klar gegen diese Vorgaben verstoßen.

Uwe Eric Laufenberg: Hugo von Hofmannsthal hat für seine großen lyrischen Qualitäten, deren er sich bewusst war, in den dramatischen Stoffen, wie wir wissen, immer wieder neue Bühnenformen gesucht – etwa Konversationsstücke, barocke Mysterienspiele, Trauerspiele oder eben griechische Adaptionen, wie Elektra. In Max Reinhardt ist Hofmannsthal wiederum auf jemandem gestoßen, dessen geradezu unbegrenzte theatralische Fantasie all diesen Bühnenformen eine je eigene wirkungsvolle Gestalt geben konnte. Und dieser Reinhardt-Stil respektive die Atmosphärik, die Reinhardt den Stücken verlieh, haben schlussendlich auf Hofmannsthal zurückgewirkt und diesen in seinen dramatischen Evokationen beeinflusst. Dies gilt insofern auch schon für die Elektra, als nachweislich erst das Zusammentreffen mit Reinhardt Hofmannsthal zur endgültigen Ausarbeitung des Stückes bewog. Das heißt mit anderen Worten gerade in Hinblick auf die

Hofmannsthal’schen Regie- beziehungsweise Szenenanweisungen, dass diese zunächst über Max Reinhardt gedacht und verstanden werden müssen. Für jeden anderen Regisseur, Bühnenbildner oder Kostümbildner – insbesondere heute, mehr als ein Jahrhundert nach der Uraufführung sowohl des Stückes als auch der Strauss-Oper –, stellt sich natürlich die Frage, ob ein sklavisches Befolgen der szenischen Anweisungen überhaupt den inneren Kern des Stückes trifft. Es versteht sich aber von selbst, dass der Ort, an dem Elektra haust und zu dem sich Klytämnestra hinabzwingt, düster und bedrückend sein muss. So wollen auch wir ihn beschreiben.

Sie sagen „wir“: In welchem Maße entsteht das szenische Ambiente bei Ihren Arbeiten in Rücksprache zwischen Ihnen und dem Bühnenbildner?

Uwe Eric Laufenberg: Mit Rolf Glittenberg arbeite ich hier in Wien zum ersten Mal zusammen und es war ein schönes Kennenlernen, gerade weil sich eine künstlerische Zwiesprache ergab. Ich hatte drei Möglichkeiten eines Ortes für die Inszenierung skizziert und aus diesen kreierte er eine tolle Lösung, die auch unsere Idee eines Stillstandes, der dann in Bewegung gesetzt wird, wirksam abbildet.

Findet das Freud’sche Element, die Atmosphäre des Fin de Siècle, Eingang in die Inszenierung? 

Uwe Eric Laufenberg: Diese Atmosphäre, das Ahnen einer Zeitenwende auf der einen Seite und die Erkenntnisse der Psychoanalyse sowie die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit derselben auf der anderen Seite, waren uns sehr wichtig, da sie die Annäherung von Hofmannsthal und Strauss an den antiken Elektra-Stoff sehr stark beeinflusst haben. Das Stück und ebenso die Oper sind ja tatsächlich in wesentlichen Punkten ganz anders geartet als die ursprünglichen Versionen von Euripides und Sophokles.

Gibt es typische Strauss-Herausforderungen? Dinge, die einem Regisseur in Strauss-Opern immer wieder begegnen?

Uwe Eric Laufenberg: Strauss hatte, wie alle großen Opernkomponisten, ein großes theatralisches Gespür für Situationen. Darin unterscheidet er sich nicht von einem Mozart, einem Wagner, einem Verdi, einem Puccini. Nur erzählt bei

Strauss die Musik im Orchestergraben manchmal einen eigenen Film. In der Frau ohne Schatten beispielsweise, in den großen Zwischenspielen in der Barak-Färberin-Szene im 1. Akt, aber auch beim Auftritt der Klytämnestra in der Elektra: In diesen Passagen geht Strauss über das Libretto hinaus und schildert Dinge die textlich nicht festgelegt sind, macht Welten auf, die durchaus mehrdeutig sind und die aber dennoch oder gerade deshalb interpretiert gehören, weil ansonsten Leerstellen entstehen. Da muss der Regisseur gestalten, muss der Kraft der Musik gehorchen, sich trauen.

Richard Strauss verdoppelt immer wieder im Orchester Dinge, die auf der Bühne passieren oder besungen werden: Muss man dann, quasi vice versa, die Dinge, die im Orchester angedeutet werden, genauso auch auf der Bühne optisch verdoppeln?

Uwe Eric Laufenberg: Heutzutage existieren so viele unterschiedliche Formen und Möglichkeiten, ein Werk oder Details von einem Werk darzustellen. Wenn ein Klang, ein Geräusch, ein akustisches Bild aus dem Gesamten unüberhörbar herausragt und etwas von sich aus erzählt, muss man es nicht unbedingt verdoppeln. Aber wenn die Situation danach ist, dass man den Verästelungen der Musik nachgehen kann, spricht natürlich nichts dagegen, diese auch optisch nachzuzeichnen. Schließlich ist es nicht verboten, Musik zu visualisieren – im Prinzip möchte ich ja, wenn ich in der Oper sitze, die Musik die ich höre auch sehen.

In der Salome bringt der Tanz der Titelfigur eine wesentliche dramaturgische Zuspitzung, hier in der Elektra kommt es abermals zu einem Tanz …

Uwe Eric Laufenberg: Der Unterschied zwischen dem Salome-Tanz und jenem der Elektra liegt auf der Hand: Ersterer ist ein Verführungstanz aber auch ein Entäußerungstanz der Salome vor Herodias und für Jochanaan. Dieses Dreiecksverhältnis wird bewusst sehr psychologisch präsentiert. Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen Tanz mit sieben Schleiern, so wird er schließlich auch genannt. Der Elektra-Tanz hingegen ist die letzte Entäußerung von jemandem, der eine nicht zu verhindernde enorme Hassexplosion zur Realität geführt hat und vor dem totalen Zusammenbruch die letzte symbolische Steigerungsstufe erklimmt. Es handelt sich somit um den Schlusspunkt einer durch den Herrschermord herbeigeführten Blutorgie. Elektra lädt alle zu diesem Tanz ein und es stellt sich die Frage, ob man in ihm eher ein Befreiungsritual sehen möchte, mit dem die alte Zeit begraben wird, oder den Auftakt zu neuen Aggressionen, zum nächsten wilden Krieg. Ich plädiere für ersteres.

Andreas Láng

Uwe Eric Laufenberg stammt aus Köln und konnte sich bald als Schauspieler und Regisseur einen Namen machen. Seit den 90er-Jahren ist er international an wichtigen Bühnen als Opern- und Schauspielregisseur gefragt. Seit Beginn der Spielzeit 2014/2015 ist er Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden.