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Der Geschichtenerzähler

Seit langem schon wird Oper für die Kleinen an der Wiener Staatsoper groß geschrieben. Uraufführungen, unter anderem von der österreichischen Komponistin Johanna Doderer, Erstaufführungen und inzwischen hunderte Vorstellungen der unterschiedlichsten Werke – so lautet die stolze Bilanz. Seit das Traumfresserchen erstmals Kinderaugen zum Leuchten brachte, sind inzwischen fast zwei Jahrzehnte vergangen – die Kinder von einst gehen nun ins große Haus, aber so mancher erinnert sich noch an seine ersten Opernvormittage: „Weißt du noch, als Heinz Zednik als Traumfresserchen dieses rote Aufblaskostüm anhatte…?“

Mit der KINDEROPER | AGRANA STUDIOBÜHNE | WALFISCHGASSE wurde in der letzten Spielzeit ein neues Kapitel aufgeschlagen und ein idealer Raum für kleine, feine Kinderopernproduktionen gefunden. Dort, wenige Schritte vom Haupthaus der Staatsoper entfernt, kommt im Jänner eine Uraufführung heraus: Patchwork. Erzählt wird in diesem Auftragswerk der Staatsoper die Geschichte zweier Familien, die nach einigen Hindernissen und Herausforderungen zu einem gemeinsamen Leben als Patchwork-Familie finden. Komponiert hat die einstündige Oper Tristan Schulze, der bereits vor einigen Jahren die Bearbeitung der Undine für die Staatsoper geschaffen hatte. Als Arrangeur, Komponist, Musiker und Bearbeiter ist er seit Jahrzehnten „im Geschäft“, im Kinderopern-Genre hatte er vor Jahren ein entsprechendes Stück für die Jeunesse verfasst. Die Idee zum Opernthema, erzählt Schulze, stammt von Johanna von der Deken, der Librettistin, die es schon länger mit sich herumgetragen hatte. Er selbst sei gleich darauf angesprungen: „Es ist ein Stoff “, meint er, „der viele betrifft und den viele aus ihrem Leben kennen. In der Oper können wir zeigen, dass es auch in solchen doch nicht ganz einfachen Situationen Lösungen gibt, die zu einem glücklichen Ende führen.“ Und was das Aufein-Thema-Anspringen betrifft: Generell schreibe er gerne aus einem ersten Impuls heraus, nachder erstmaligen Lektüre eines Textes oder nachdem Aufkommen einer Idee. „Ich bin keiner, der gleich zu Beginn das Libretto zwanzigmal liest und dann lange nachdenkt. Der erste Gedanke, der mir kommt, ist meist der Frischeste und Beste. Natürlich muss man dann noch herumfeilen und an dem Entwurf arbeiten, aber wenn ich zu lange nachdenke, besteht immer die Gefahr, dass ich etwas zerdenke.“ Diesmal sei ihm schon bei diesem ersten Durchschauen des Librettos aufgefallen, dass – auf die Aufführungslänge bezogen – sehr viel Text vorliege. Was kein Problem sei, sondern nur eine besondere Herangehensweise erfordere: „Auch bei vielen Strauss-Opern gibt es sehr viel Text, ohne dass man das spürt. Man kann dann nur einfach nicht lange bei einem Wort verharren, sondern muss auf ein gewisses Tempo achten. “Dieses Tempo erreicht er unter anderem, indem er viele „Familiensachen passieren lässt, wie sie eben sind. Also: Man sitzt am Küchentisch und wartet nicht immer, bis der andere ausgesprochen hat, sondern fällt einander auch ins Wort.“ Jedenfalls sei die Arbeit stets sehr organisch und in einer produktiven Gemeinschaft abgelaufen, einer Gemeinschaft, zu der auch Silvia Armbruster gehört: „Eine herausragend dramaturgisch denkende Regisseurin, die von Anfang an eingebunden war.“ Wieweit aber konnte der Komponist ins Libretto eingreifen? „Ich habe mich etwa dort eingebracht, wo es um ganz praktische Fragen ging. Ich fand es gut, wenn der Bub e-Gitarrespielt, weil man das auch gleich musikalisch einbauen kann. Also wurde ihm das entsprechende Instrument verpasst.“ Natürlich hat Schulze aber auch mitgesprochen, wenn es um formale oder inhaltliche Notwendigkeiten und Sinnhaftigkeiten ging. „Wenn etwa Nummern mit viel Drive gespielt werden, dann braucht es danach etwas Ruhigeres, zum Ausgleich. Wenn das im Libretto nicht drinnen war, dann konnte ich zu Johanna sagen: Schreib mir das bitte noch rein!“

Von Schriftstellern hört man immer wieder, dass einzelne erfundene Figuren ein Eigenleben entfalten und sich während des Schaffensprozesses ihre eigenen Wege suchen. Wie verhält es sich diesbezüglich mit Opernfiguren? „Sie fangen nicht an zu einem zu sprechen“, lacht Schulze, „aber ziehen manchmal in eine bestimmte Richtung. Wenn man das zulässt, dann gehen Türen auf, von denen man nicht einmal gewusst hat, dass sie existieren.“ Überraschend sei das, aber auch faszinierend, erläutert Schulze.

Pünktlich zu Probenbeginn war die Oper fertig, die Arbeit aber noch nicht ganz abgeschlossen. „Der Vorteil an einem lebenden Komponisten ist ja, dass er einfach da ist. Wenn sich also herausstellt, dass die eine oder andere Stelle für einen Sänger ungünstig liegt, dann kann ich das schnell ändern oder anpassen. Es geht ja nicht darum, dass allemeine Noten heilig sind, sondern dass sich die Menschen auf der Bühne gut und frei ausdrücken können. Die Geschichte muss gut erzählt werden – und das möchte ich als Komponist ermöglichen.“

Dass eine Uraufführung nicht nur für die Autoren, sondern auch für alle Beteiligten etwas Besonderes ist, bestätigt auch der Dirigent der Produktion, Witolf Werner. „Das Schöne, etwas Neues, nie zuvor Gespieltes entdecken zu können, hat natürlich einen besonderen Reiz. Es gibt keine Tradition, keine Aufführungsgeschichte, und man kann sich ganz ohne Ballast einem Werk nähern. Und man hat den Komponisten, den man im Falle des Falles befragen kann – was ein besonderer Luxus ist!“

Oliver Láng


TRISTAN SCHULZE wurde 1964 in Sachsen geboren. Nach dem Cello studium in Dresden lernte er im Orchester das klassische Opern- und Konzertrepertoire kennen. In Benares studierte er klassische indische Musik, danach an der Wiener Musikhochschule Dirigieren und Komposition. Studienaufenthalte führten ihn nach Senegal, Argentinien und Mexiko. Er gründete, gemeinsam mit Daisy Jopling und Aleksey Igudesman das Streichtrio Triology. Es entstanden Auftragskompositionen u.a. für das Gewandhausorchester Leipzig, die Trigonale, das Theater an der Wien, die Niederösterreichischen Tonkünstler.

INHALT
Die Oper erzählt die Geschichte von Vera und Niko. Beide sind allein erziehend. Vera ist Lehrerin und hat drei Kinder: Lea, Tim und Antonia. Der Architekt Niko übersiedelt gerade in die Nachbarwohnung, um mit seinem Sohn Joshua in einer neuen Umgebung mit der schwierigen Situation der Trennung von seiner Frau zurechtzukommen. Vera und Niko stoßen im Stiegenhaus zusammen und nach einem anfänglichen Wortgefecht beginnt im Laufe der Oper eine vorsichtige Annäherung, mit Vorbehalten, Ängsten und Freuden …

Patchwork | Tristan Schulze
Uraufführung: 29. Jänner 2017
Reprisen: 31. Jänner 2017, 1., 16., 19. Februar 2017
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