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Der 100%-Cavaradossi

Der 7. Februar 2019, Piotr Beczała singt erstmals den Cavaradossi: Große Spannung, atemberaubender Gesang, ohrenbetäubender Jubel. Beczała, Weltspitze in seinen Fächern, kam, sang und siegte an gleich vier Abenden in Puccinis Tosca. Drei Monate nach diesem Debüt kehrt er wieder und gestaltet noch dreimal die Partie des Cavaradossi.

Wussten Sie im Augenblick des Singens: das ist es jetzt! Spürten Sie, dass Ihnen ein Triumph ins Haus steht?
Piotr Beczała: Jein. Wenn man an einem solchen Abend auf der Bühne steht, dann ist das so ein Vakuum-Moment. Gut-schlecht, diese Fragen stellen sich unmittelbar gar nicht. Worauf ich vertrauen konnte war, dass ich mich gut vorbereitet hatte und daher die Partie beherrschte. Und vor allem freute ich mich, diese herrliche Rolle erstmals in Wien singen zu können. Dazu diese wunderbaren Kollegen und Marco Armiliato als Dirigent – eine Luxusbesetzung! Das Fundament jedenfalls ist nun gelegt und ich freue mich auf weitere Auftritte! Cavaradossi ist ja nicht nur eine Rolle, die neu in mein Repertoire gekommen ist, sondern er ist, gemeinsam mit dem Maurizio in Adriana Lecouvreur, der Grundstein für ein Verismo-Repertoire.

Vor Ihrem Don José-Debüt erzählten Sie, dass Sie schon in Ihrer Anfängerzeit in Linz als Dancaïro den jeweiligen José-Sänger beobachtet hätten. Hat Ihr Cavaradossi eine ähnlich lange Annäherungsphase?
Piotr Beczała: Als ich mit Bohème anfing, und das war doch schon vor einigen Jahren, dachte ich: Cavaradossi, das ist der 3. Akt-Rodolfo x 3. Was im Grunde ja auch stimmt. Natürlich habe ich mir diese Partie nicht von heute auf morgen angeeignet. Sondern ich sang zunächst einmal die Tosca-Arien jahrelang in Konzerten. Das ist mein bewährtes System, mich mit diesen großen neuen Partien vertraut zu machen. Wenn ich Arien oftmals in einem Konzert gesungen habe, dann gibt mir das bei meinem Operndebüt eine Sicherheit, denn ich weiß, dass nichts, oder zumindest nur wenig, schiefgehen kann. In Linz habe ich übrigens auch in Tosca gesungen – den Spoletta. Allerdings war ich in dieser Partie nicht besonders gut – ich war zu nett!

Wenn es im Opernrepertoire die große Tenor-Arie gibt, dann ist das E lucevan le stelle. Ist es für Sie herausfordernd, mit einem solchen Hit, den wirklich jeder kennt, vor ein Publikum zu treten?
Piotr Beczała: Ich versuche, nicht in diese Richtung zu denken. Das ist wie in Bayreuth, wenn man in Lohengrin die Gralserzählung singt. Jeder im Publikum, im Orchester, im Chor hat die Erzählung schon so oft und so gut gehört und kann sie auswendig. Aber... das macht nichts. Ich betrachte all diese bekannten Arien als Teile einer Oper. Teile, die einer Gesamtdramaturgie unterliegen und die ich einfach gut singen möchte. Daher habe ich jedesmal mit mir gerungen, bevor ich die Arie wiederholt habe: denn sie ist keine alleinstehende Nummer, sondern Bestandteil eines ganzen Abends, eines Ablaufs. Abgesehen davon, so ganz unter uns: Rein technisch ist E lucevan le stelle gar nicht so schwer. Da gibt es Schwierigeres!

Worauf achten Sie beim Cavaradossi gesanglich besonders?
Piotr Beczała: Darauf, dass es Verismo ist. Das bedeutet, es geht ohne Aufwärmen los. Man darf am Beginn nicht sparen, das ist das oberste Gebot. Sondern muss sich gleich in die Sache hineinstürzen. Wer sich dem Cavaradossi schön vorsichtig nähert, der liegt falsch. Von der ersten Note an muss die Spannung auf 100 Prozent sein – und man muss sie auch zu halten verstehen.

Bedeutet das, dass Sie sich für einen Cavaradossi anders einsingen?
Piotr Beczała: Schon! Die Tongebung ist eine andere, dem muss das Einsingen Rechnung tragen. Vergleichen wir Cavaradossi mit Des Grieux in Manon: da steigt man langsam in den Abend ein, die Stimme muss über eine lange Strecke schlank geführt werden. So etwas geht bei Tosca nicht.

Die wichtigen Rollendebüts der letzten Zeit waren auch Don José und Lohengrin, sehr komplexe Figuren. Da ist die Charakterstruktur des Cavaradossi einfacher gestrickt.
Piotr Beczała: Wieder: jein! Der Charakter selbst ist weniger komplex, aber die Geschichte ist nicht so einfach. Man vergisst oft die Verknüpfung mit der Attavanti, die politischen Hintergründe, die Vorgeschichte. Es gibt viele Details, die im Laufe des Abends an Bedeutung gewinnen. Cavaradossi ist nicht nur Cavaradossi: es gibt viele Schichten, die unter der Handlung liegen.

Don José, Lohengrin, Cavaradossi: das waren drei große Brocken. Mussten Sie die neuen Partien gegen alte eintauschen? Haben Sie im Zuge der Debüts etwas aus Ihrem Repertoire gestrichen?
Piotr Beczała: Nein, bei diesen drei Rollen nicht! Noch halte ich einen Edgardo in meinem Repertoire und gebe nichts auf, weil ich es muss. Mir ist das wichtig, dass eine neue Partie keine Einschränkungen in meinem bisherigen Repertoire mit sich bringt. Wenn ich etwas nicht mehr singe, dann aus freier Entscheidung, nicht weil es nicht mehr geht.

Und gibt es durch diese neuen Partien eine Reduktion der Gesamtanzahl Ihrer Abende?
Piotr Beczała: Auch das nicht. Das ist ja eine sehr spannende Sache: Mein Gesangslehrer sagte mir einst: Wenn du einen Schritt in Richtung eines dramatischeren Repertoires machst, dann musst du imstande sein, ebenso drei oder vier Gustafs pro Woche zu singen, wie du es bei Tamino oder Belmonte kannst. Und er hatte recht. Auch da möchte ich nicht gezwungen sein, weniger zu machen als zuvor. Wenn ich einen zusätzlichen Tag Pause zwischen zwei Auftritten mache: bitte sehr. Aber grundsätzlich soll es keine Bedingung sein!

Das Verismo-Kapitel ist eröffnet. Wie geht es weiter?
Piotr Beczała: Ich plane eine CD mit entsprech- enden Arien, von Andrea Chénier bis Turiddu. Und auch im Wagner-Fach gibt es Pläne. Aber darüber sprechen wir ein andermal...

Das Gespräch führte Oliver Láng


Tosca | Giacomo Puccini
15., 18., 23. Juni 2019

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