Cookie-Einstellungen

Dieses Tool hilft Ihnen bei der Auswahl und Deaktivierung verschiedener Tags / Tracker / Analysetools, die auf dieser Website verwendet werden.

Essentiell

Funktional

Marketing

Statistik
© Lalo Jodlbauer

Bogdan Roščić, Direktor der Wiener Staatsoper (ab 1. 7. 2020)

Auf diesen Seiten wollen wir Ihnen eine besondere Spielzeit der Wiener Staatsoper präsentieren. Aber in dem Moment, in dem diese Zeilen veröffentlicht werden, ist nichts so unmöglich wie das, was Theater eigentlich ausmacht: das unwiederholbare Erlebnis, im selben Moment und am selben Ort, in Gemeinschaft mit anderen. Die Welt ist in Isolation vor sich selbst. Uns wird brutal vor Augen geführt, wie fragil vieles ist, worauf wir ein Anrecht zu haben meinen. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Staatsoper geschlossen, ohne dass klar wäre, für wie lange. Aber gerade deswegen wollen wir Ihnen mit Stolz und Optimismus über unsere Pläne erzählen. Denn das Publikum und die Musik werden ins Haus zurückkehren, und es wird ein besonderer Tag sein, an dem das geschieht. Auf diesen Tag bereiten wir uns alle vor.

Große Opern sind wie ein unendlicher Raum, in den wir immer wieder, auch in verschiedenen Phasen unseres Lebens, eintreten können, um jedes Mal neue Erkenntnis und neue Inspiration zu finden. Diese sind stets da und warten; im Grunde darauf, dass wir so weit sind. Die Staatsoper als Repertoire-Theater bietet wie vielleicht kein anderes Haus die Möglichkeit dieser kontinuierlichen Auseinandersetzung. Damit untrennbar verbunden ist die Verpflichtung, diese Opern in Produktionen zu spielen, die ihre Bedeutung auf heutige Weise aussprechen. Große Werke sind immer zeitgenössisch, das ist ihr untrügliches Erkennungszeichen. Aber das entbindet uns nicht davon, dieser bleibenden Substanz unseren eigenen Ausdruck zu verleihen. Wir bekennen uns zu dieser Aufgabe und haben unsere erste Spielzeit ganz in das Zeichen einer Erneuerung des Kernrepertoires der Staatsoper gestellt. In zehn Premieren wird die neue Direktion zehn auf ihre Art absolut zentrale Opern neu auf die Bühne bringen.

Die Arbeit daran wird auch davon bestimmt, dass die Wiener Staatsoper wieder einen Musikdirektor hat. Nicht nur an vielen Abenden am Dirigentenpult, sondern als Teil eines neuen künstlerischen Führungsteams. Gemeinsam widmen wir uns allen Fragen des musikalischen Bereichs und vor allem jenem Dialog, jener Balance zwischen der musikalischen Arbeit und dem szenischen Anspruch, die in unserem Verständnis ein bedeutendes Theater ausmachen.
Wir folgen also der vom Hofopern-Direktor Gustav Mahler in einem Memorandum an seine beamteten Aufseher 1899 lapidar ausgesprochenen Wahrheit: »Rein musikalische Erfolge sind ja leider im Theater gar keine Erfolge«. Darum werden wir unsere Ideen zusammen mit einigen der wichtigsten Regisseurinnen und Regisseure der Opernwelt umsetzen. Fast alle von ihnen arbeiten damit zum ersten Mal an der Staatsoper. Und auch einige ihrer schon legendär gewordenen, stilbildenden Inszenierungen werden, neu erarbeitet, durch die ungewöhnlich hohe Anzahl von zehn Premieren innerhalb nur einer Saison in unser Repertoire eingehen.

Programmatisch setzen wir dabei drei Schwerpunkte: Mozart, Wagner sowie jene klassisch gewordenen Opern des 20. Jahrhunderts, die wie eine Brücke sind zwischen der Tradition und den Kompositionen unserer Zeitgenossen. In jeder der von uns verantworteten Saisonen werden diese drei Schwerpunkte mit zumindest einer Neuproduktion vertreten sein.

Der Fokus auf Mozarts Werk bedeutet 2020/21 zunächst das Schließen einer großen Lücke in unserem Repertoire. Seine »Entführung aus dem Serail«, bis ins Jahr 2000 im Haus am Ring fast 700 mal gespielt, wird in Hans Neuenfels’ virtuoser Inszenierung gezeigt. 2021/22 beginnt dann die Erarbeitung einer neuen Da-Ponte-Trilogie in der Regie von Barrie Kosky. Er wird aber auch in der nächsten Spielzeit präsent sein – mit seiner preisgekrönten »Macbeth«-Produktion.

An den Beginn der Erneuerung des Wagner-Repertoires setzen wir »Parsifal« in Zusammenarbeit mit dem russischen Theater-Magier Kirill Serebrennikow. 2021/22 folgt dann »Tristan und Isolde« mit Calixto Bieito, der aber schon zu Ostern 2021 sein Staatsopern-Debüt gibt – und zwar mit der Übernahme seiner weltweit gefeierten »Carmen«-Inszenierung.

Die klassische Moderne wird vertreten sein durch jenen Mann, der vielleicht mehr als jeder andere zum Kanon der Oper nach 1945 beigetragen hat: Hans Werner Henze mit »Das verratene Meer«. Eine Saison später folgt das vielleicht wichtigste Werk des 20. Jahrhunderts überhaupt: Alban Bergs »Wozzeck« in einer neuen Inszenierung von Simon Stone. Schon im März 2021 debütiert Stone an der Staatsoper mit seiner neuen Inszenierung der »Traviata«, die wir zusammen mit der Opéra national de Paris produziert haben.

Der herausragenden musikalischen Qualität der Wiener Staatsoper wollen wir auch in einer Reihe von klar als solchen gekennzeichneten Wiederaufnahmen und einer wichtigen musikalischen Neueinstudierung gerecht werden. Neben den bekanntesten Namen der Opernwelt werden daran viele neue Künstlerinnen und Künstler in ihren Haus-Debüts mitwirken, vokal ebenso wie am Dirigentenpult. An dieses kehren nächste Spielzeit aber auch vertraute, wichtige Namen wie Christian Thielemann, Franz Welser-Möst oder Bertrand de Billy zurück. Das im Zentrum aller Überlegungen stehende Ensemble mit vielen neuen Stimmen wird ergänzt durch die Mitglieder des soeben gegründeten Studios, in dem ganz junge Sängerinnen und Sänger den Anfang ihrer internationalen Karriere setzen. 

Die Saison 2020/21 ist ebenfalls der Beginn einer neuen Ära für das Staatsballett. Der Schweizer Choreograph Martin Schläpfer übernimmt die Führung der Compagnie. Seine erste Kreation für Wien ist Mahler gewidmet, dessen 4. Symphonie Schläpfer für die gesamte Compagnie choreographiert, also für mehr als 100 Tänzerinnen und Tänzer.

Die Staatsoper ist für alle da. Das ist eine grundlegende Wahrheit über eine durch die öffentliche Hand ermöglichte Kulturinstitution. Diesen Anspruch konsequent zu verwirklichen, ist heute aber gesellschaftlich vielleicht schwieriger geworden als je zuvor. Unser Theater für alle zu öffnen wird darum der andere große Schwerpunkt unserer Arbeit sein. Verwirklicht werden muss er in vielen einzelnen Maßnahmen, über die wir in anderem Rahmen ausführlich berichten werden. Eine davon ist die intensive Weiterführung des Kinderoper-Programms, das wir stärker ans Haus selbst bringen wollen. Mozarts »Entführung« zeigen wir daher auch für Kinder, als Wander-Theater an besonderen Plätzen der Staatsoper spielerisch die Magie des Gebäudes nützend. Und Rossinis auf eine Stunde verdichteter, auf Deutsch neu erzählter und gesungener »Barbier von Sevilla« wird an gleich acht Terminen im Großen Haus zu sehen sein.

Sollten Sie diesen Aspekt unserer Arbeit unterstützen und Ihrer besonderen Verbundenheit mit dem Haus Ausdruck verleihen wollen, laden wir Sie ein, Mitglied des neu gegründeten Freundeskreises der Wiener Staatsoper zu werden. Zum ersten Mal wird eine solche Vereinigung von Unterstützern ein offizieller Freundeskreis sein und mit ihren Beiträgen direkt die Projekte der Vermittlung und des Zugangs für ein junges Publikum ermöglichen.
Nach der Epidemie wird die Welt genau so sein, wie sie immer war, und doch vollkommen anders. Was sieht man, wenn man sie durch die Linse der Oper betrachtet? Warum berührt es uns so, das Haus am Ring dunkel und leer zu sehen? Ist es nicht »nur Theater«? Die Welt kämpft gerade mit einer tödlichen Bedrohung. Aber es ist unwiderstehlich, sich genau jenen Moment vorzustellen, in dem zum ersten Mal wieder ein vielstimmiger Akkord aus dem Orchestergraben der Staatsoper kommt, in dem eine einzelne Stimme den großen Saal erfüllt. Vielleicht deswegen, weil wir in dieser Sehnsucht jetzt besonders intensiv das spüren, was Auden mit den Worten ausdrückt: »Jedes sauber getroffene hohe C zertrümmert die Theorie, wir wären verantwortungslose Marionetten des Schicksals oder des Zufalls.«

Wir freuen uns auf viele solcher Momente mit Ihnen.