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Besessen von Musik

Der englische Dirigent Alexander Soddy konnte sich innerhalb kürzester Zeit in die vorderste Reihe der jungen Dirigentengeneration katapultieren. Kollegen und Kolleginnen, wie zum Beispiel Simone Young, singen das Loblied auf ihn und er selbst eilt, ohne je aus der Ruhe zu kommen, von Erfolg zu Erfolg. Nach Stationen an großen Häusern wie an der Bayerischen, Hamburgischen und Berliner Staatsoper wurde er 2013 Chefdirigent am Klagenfurter Stadttheater und ist mittlerweile GMD in Mannheim. Nach seinem jüngst erfolgten Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera, stellt er sich am 30. April mit Il barbiere di Siviglia an der Wiener Staatsoper vor.

Herr Soddy, Sie haben ursprünglich Klavier und Gesang studiert – taten Sie das schon in Hinblick auf eine mögliche spätere Dirigentenlaufbahn?

Alexander Soddy: Ich war schon als kleines Kind besessen von Musik, aber als ich mit etwa sieben Jahren Klavier zu spielen begann, dachte ich noch lang nicht an eine entsprechende professionelle Ausübung und schon gar nicht an eine Dirigentenkarriere. Es gab somit zunächst gar keine Hintergedanken (lacht). Auch nicht, als mir mit zehn Jahren zusätzlich Geigenunterricht erteilt wurde. Erst im Teenageralter erkannte ich, dass ich Eignungen aufwies, die mich für den Beruf eines Solorepetitors prädestinierten.

Und haben Sie als Kind nie einen Dirigenten nachgeahmt, wenn Sie Musikeinspielungen hörten?

Alexander Soddy: Ich wollte unentwegt in Kontakt mit der Musik sein, sie symbolisch anfassen, vereinnahmen und war begeistert von der Möglichkeit selber Musik zu machen. Schon sehr früh versuchte ich zu Hause und im Bekanntenkreis möglichst vieler Noten und Klavierauszüge habhaft zu werden um sie zu spielen. Wenn ich etwas im Radio hörte, wollte ich es sofort am Klavier reproduzieren. Aber ich habe nie davon geträumt, vor einem Orchester zu stehen und zu dirigieren. Der Impuls Dirigent zu werden kam erst, als ich mich in den Orchesterklang verliebte und den Wunsch verspürte ihn selber zu „erzeugen“.

Und das Musikwissenschaftsstudium in Cambridge war quasi eine Abrundung der Ausbildung?

Alexander Soddy: Richtig. Es war zwar ein bisschen trocken, aber dafür umso wertvoller: Fugen schreiben, Kompositionsanalysen, akustische Analysen, Musikgeschichte. Außerdem konnten wir in einer reichen und befruchtenden Umgebung sehr viel mit anderen musizieren. Ich will die Zeit nicht missen.

Im Gegensatz zu anderen Kollegen haben Sie sich als Dirigent nicht nur auf den Konzertsektor gestürzt, sondern zusätzlich den zeitaufwändigen Weg im Opernbereich eingeschlagen.

Alexander Soddy: Mir war bewusst, dass die Opernarbeit auch ein ideales Fundament für eine Konzerttätigkeit ist. Wo, wenn nicht im Musiktheater und in der Zusammenarbeit mit den Sängern lernt man das für einen Dirigenten so wichtige richtige Atmen und Phrasieren? Die sieben, acht Jahre, die ich als Solorepetitor an der Hamburgischen Staatsoper verbracht habe sind unbezahlbare Lehrstunden gewesen. Wenn ich heute mein Konzertrepertoire erweitere, kommen mir all die dort gewonnenen Erfahrungen hundertfach zugute.

Und im Opernbereich werden Sie sich vermutlich mit jenen Werken, die sie selber korrepetiert haben, um noch einmal ein Vielfaches leichter tun?

Alexander Soddy: Natürlich ist es ein gewaltiger Vorteil, wenn man ein Werk dirigiert, bei dem man zuvor jede Rolle mit Sängern erarbeitet hat, jede Harmonie am Klavier gespielt hat. Aber man baut als Korrepetitor ganz grundsätzlich einen Instinkt auf, für einen Stil, wie Sänger funktionieren, was sie benötigen, wo ihre Grenzen sind und überhaupt für dieses seltsame Gebilde eines Opernhauses. Man muss also beispielsweise nicht zwingend einen Holländer korrepetiert haben, um ihn später gut dirigieren zu können, wenn man dafür einen kompletten Nibelungenring am Klavier mit den Sängern erarbeitet hat. Die Erfahrungen aus dem Ring kommen sozusagen dem Holländer zugute.

Simone Young sagte einmal, dass man an dem wie ein junger Dirigierstudent an das Pult tritt, bereits ablesen kann, ob aus ihm etwas wird …

Alexander Soddy: Warum gewinnt der Kandidat X den Dirigentenwettbewerb und nicht der Kandidat Y? Weil er, neben dem handwerklichen Können, eine Sicherheit ausstrahlt, die einer klaren Vorstellung, einer musikalischen Überzeugung entspringt. Jedes schlagtechnische Problem lässt sich zum Beispiel lösen, wenn ich weiß, was ich an Klang, an Interpretation erreichen möchte. Ein guter Dirigent hat einen musikalischen Willen, den er umsetzen möchte, für den er brennt – und er wird die für seine Persönlichkeit richtige handwerkliche Methode dafür finden. Wenn ich mit dem Wunsch an das Dirigentenpult trete, gemocht zu werden oder Erfolg zu haben, geht es schief. Wenn ich stattdessen ein Bedürfnis verspüre, eine ganz bestimmte musikalische, interpretatorische oder klangliche Vorstellung zu verwirklichen, wenn ich nach einem Weg suche, ebendiese Ideen den Musikern verständlich zu machen, werde ich Erfolg haben.

Sie dirigieren bereits jetzt ein sehr breites Repertoire. Gibt es Stücke, die Sie bewusst noch nicht machen wollen?

Alexander Soddy: Wenn ich von einem Stück nicht überzeugt bin, dann lasse ich lieber die Finger davon. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man von jenen Werken weniger hält, die einem ohnehin (noch) gar nicht so sehr liegen. Das muss nichts mit der Qualität der betreffenden Stücke zu tun haben. Aber man kann nicht überall zu Hause sein. Davon einmal abgesehen, versuche ich selbstverständlich mein Repertoire in alle Richtungen zu erweitern und ich bin davon überzeugt, dass ich als GMD in allen stilistischen Richtungen vor das Publikum treten möchte und muss. Außerdem: Man dirigiert einfach einen besseren Parsifal, wenn man zum Beispiel auch ein Meisterwerk wie den Barbier mit all seinen Herausforderungen gut hinbekommt.

Zu guter Letzt noch eine Frage, die ich gerne des Öfteren stelle: Wann ist jemand Ihrer Meinung nach „musikalisch“?

Alexander Soddy: (lacht) Eine gute Frage! Darüber kann man sehr lange diskutieren. Ich versuche eine Kurzfassung meiner Meinung: Musikalisch ist, wer die Fähigkeit zu einer interpretatorischen Vision hat, wer die Bereitschaft zum Risiko besitzt, wer spontan zu reagieren versteht. Konkret für den Dirigenten bedeutet das: Er muss eine Vorstellung haben, muss in der Lage sein diese zu vermitteln, muss aber zugleich bereit sein, sich vom Kollektiv inspirieren zu lassen.


Gioachino Rossini
Il barbiere di Siviglia

30. April 2018
4., 7. Mai 2018

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