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© Wiener Staatsoper GmbH / Ashley Taylor

Ballett im Spiegel

Mit kritischem Blick überprüfte Rudolf Nurejew seine Maske im Spiegel seiner Garderobe (links), noch aufmerksamer aber haftete sein Blick auf dem Spiegel im Ballettsaal.

Der Spiegel – das trotz moderner Medien weiterhin unverzichtbare Hilfsmittel des klassischen Tanzes – reflektiert die Bühnenkarriere vom ersten bis zum letzten „Pas“ und macht sich dabei so unentbehrlich, dass er besonders in der Ballettausbildung mitunter auch bewusst verdeckt werden muss, damit sich die Selbstkontrolle und das Körpergefühl auch unabhängig des routinierten Blickes in ihn zu entwickeln vermögen. Das enge Zusammenspiel zwischen seiner Verwendung, dem körperlichen Erscheinungsbild und dessen Wahrnehmung bildete 2011 auch den Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie (The impact of mirrors on body image and performance in high and low performing female ballet students), die klare Unterschiede bezüglich der Vor- und Nachteile des Spiegelgebrauches für verschiedene Stufen tänzerischen Könnens aufzeigen konnte.

Das Spiegelbild an sich trägt als entscheidendes Mittel der Selbstwahrnehmung (und deren Entwicklung im Kindesalter, die an Hand so genannter „Spiegeltests“ geprüft wird) möglicherweise auch zur Entstehung des Bewusstseins bei – seine Bedeutung für die Entwicklung des tänzerischen Bewusstseins unterstrich nicht zuletzt Anna Paskevska (1938 bis 2007) in der Titelwahl für ihr 1981 verfasstes Lehrbuch Both Sides of the Mirror: The Science and Art of Ballet, welches speziell in der US-amerikanischen Ballettausbildung bis heute rege Verwendung findet.

Wenn Rainer Maria Rilke in seinen Sonetten an Orpheus den Quell „tänzerischer Reflexionen“ besingt: „Spiegel: noch nie hat man wissend beschrieben, was ihr in euerem Wesen seid. Ihr, wie mit lauter Löchern von Sieben erfüllten Zwischenräume der Zeit“, so weist er damit poetisch auf die bemerkenswerte Tatsache hin, dass man im Spiegel immer nur die Vergangenheit sehen kann, da sich – aufgrund der Lichtgeschwindigkeit unmerklich – in jedem Fall eine minimalste zeitliche Distanz zwischen der Entstehung eines Spiegelbildes und dessen Wahrnehmung ergibt.

In Anbetracht der 80. Wiederkehr des Geburtstages von Rudolf Nurejew (1938 bis 1993) – ein Jubiläum, dem die heurige Nurejew Gala des Wiener Staatsballetts in besonderer Weise gedenkt – animiert die Idee des Spiegels auf diese Weise auch zur historischen Reflexion im Sinne der Rückschau auf ein bewegtes Tänzerleben.

An welche Ereignisse mag sich also Rudolf Nurejew bei seinem kritischen Blick in den Spiegel vielleicht erinnert haben? Während der Fahrt in der Transsibirischen Eisenbahn geboren, nach tänzerischen Studien in Ufa und am Waganowa Institut in Leningrad bei Alexander Puschkin als aufstrebendes Mitglied des Kirow Balletts in Wien und Paris zu internationalem Ruhm gelangt, errang er für sich 1961 eben dort die politische Freiheit – drei Jahrzehnte einer in ihrer öffentlichen Präsenz bis heute unübertroffenen Tänzerkarriere, choreographische Neufassungen großer Klassiker (darunter der „Wiener Schwanensee“ mit 89 Vorhängen bei der Premiere in der Wiener Staatsoper am 15. Oktober 1964) und die Ballettdirektion der Pariser Oper folgten.

Das Programm der Nurejew Gala – zusammengestellt von Manuel Legris – wird einige Glanzpunkte dieser übervollen Biographie aufs Neue würdigen.

Oliver Peter Graber


Nurejew Gala 2018
29. Juni 2018

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