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© David Jerusalem

Auch der Kaiser ist ein Mensch

Man hat den weltweit gefeierten Tenor Andreas Schager an der Wiener Staatsoper bei Repertoirevorstellungen (Apollo, Lohengrin), bei einer Premiere (Max), bei einem Solistenkonzert mit seiner Frau Lidia Baich und als Überraschungsgast bei einer Silvester-Fledermaus (auch mit seiner Frau) erleben dürfen. Nun kann ihn das hiesige Publikum am 10. Oktober – ganz exklusiv – sogar mit einem weltweiten Rollendebüt hören: als Kaiser in der noch jungen Frau ohne Schatten-Produktion unter Christian Thielemann. Ein Gespräch.

Viele Sänger tasten sich an eine neue Rolle heran, indem sie die eine oder andere Arie der Partie in Konzerten singen. Das ist beim Kaiser schwer möglich ...
Andreas Schager: (lacht) Nein, das geht in diesem Fall wahrlich nicht und jeder, der am 10. Oktober im Zuschauerraum sitzt, wird gewissermaßen Zeuge der Geburt der Rolle aus meiner Kehle sein. Und wofür ich in diesem Zusammenhang besonders dankbar bin: Exakt an diesem Tag meines Rollendebüts hat vor hundert Jahren die Uraufführung dieser Oper an genau diesem Ort stattgefunden – das ist schon etwas Besonderes, Beglückendes, Ehrenvolles ... und ungemein Spannendes.

Lampenfieber?
Andreas Schager: Thomas Bernhard würde sagen: naturgemäß.

Die Partie ist ja nicht sehr lang, dafür weist sie eine hohe Tessitura auf.
Andreas Schager: Stimmt, die Tessitura ist durchgehend hoch, was ich an sich aber ganz gerne habe. Nur liegt die besondere Schwierigkeit beim Kaiser – und darin ist er dem Apollo in Daphne sehr vergleichbar – in der stetig steigenden Schwierigkeit gegen den Schluss hin. In der ersten Arie geht es ja noch recht kommod los, die zweite ist schon deutlich dramatischer und herausfordernder und im großen Ensemble wird es dann besonders unangenehm, da sich der Tenor, bevor er das hohe C zu singen hat, im Passaggio bewegt. Spitzenton ist ja nicht gleich Spitzenton: Das hohe C des Siegfried beim „Hoiho-Hoihe!“ im 3. Aufzug der Götterdämmerung ist gewissermaßen ein aufgelegter Elfmeter, aber wenn man sich, wie in der Frau ohne Schatten, schon die ganze Zeit über so hinaufschrauben muss und dann schließlich noch eins draufzusetzen hat, so ist das dem Sänger gegenüber etwas gemein. Aber was soll’s, das ist halt die Herausforderung!

Ist der Kaiser eine Wunschpartie, die Du angestrebt hast, oder hat Dich die Anfrage überrascht?
Andreas Schager: Wenn man sich als Sänger ein wenig umsieht und darüber nachdenkt, in welche Richtung das eigene Repertoire zu erweitern wäre, so lag in meinem Fall der Kaiser sehr nahe. Und ja, ich habe schon seit längerem mit dieser Partie geliebäugelt, ohne sie allerdings tatsächlich konkret anzugehen – erst als die Anfrage der Wiener Staatsoper kam, wurde es mit dem Kaiser ernst. Heuer scheint für mich übrigens ein richtiges Strauss-Jahr zu sein: In Cleveland habe ich unter Franz Welser-Möst meinen ersten Bacchus gesungen, gleich darauf in Frankfurt wieder einmal den Apollo, jetzt kommt der Kaiser und kurz darauf in einer Neuproduktion an der Mailänder Scala mein erster Menelas – erneut mit Welser-Möst. Darüber hinaus planen Helmut Deutsch und ich einen Liederabend beim Spring Festival in Tokio, bei dem neben Beethoven auch wieder Strauss auf dem Programm steht.

Beethoven, weil 2020 ein Beethoven-Jahr ansteht?
Andreas Schager: Das spielt eine Rolle, keine Frage, aber es ist nicht der einzige Grund: Ich versuche einfach meine Stimme flexibel, modulationsfähig zu halten, mich nicht nur im reinen Heldenfach zu bewegen, singe daher auch gerne immer wieder beispielsweise einen Tamino oder eben einen Liederabend.

Vermutlich beeinflussen und befruchten sich die unterschiedlichen „Sträusse“ gegenseitig?
Andreas Schager: Sicherlich, zumal sowohl der Kaiser als auch Menelas und Apollo in ihrem jeweiligen bedrohlichen Eifersuchtsgehabe gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Aber Strauss zeichnet sich für mich ganz grundsätzlich durch die gewaltige Ladung an positiver Emotion aus, die seine Musik enthält, besonders in den Apotheosen, bei denen man sich als Sänger wunderbar öffnen kann und diese herrliche Phrasen singen darf, die einen selbst in den Himmel heben.

Apropos Eifersuchtsgehabe: Besonders sympathisch ist der Kaiser nicht.
Andreas Schager: Er überschreitet zweifellos in seiner Eifersucht eine gewisse natürliche Grenze, wirkt geradezu krankhaft und besessen. Er beschließt zum Beispiel die Kaiserin zu töten – auf einen bloßen Verdacht hin. Er weiß nicht, ob etwas passiert ist, aber er hat Angst hintergangen worden zu sein, und das erträgt sein Narzissmus, sein überhöhtes Selbstwertgefühl nicht. In der Zauberflöte sagt Sarastro auf den Hinweis, dass Tamino ein Prinz wäre, den Satz: „Mehr noch, er ist Mensch!“ Und dies gilt auch für den Kaiser, auch er ist mehr als nur der Potentat, der sich über alle anderen erhaben sieht. Das muss er lernen und seine Erlösung aus der Versteinerung ist wohl ein Symbol für das Zurücklassen des in seiner überheblichen Eifersucht gefangenen alten Ichs.

Hast Du im Zuge Deiner Auftritte in Bayreuth Möglichkeit gehabt, die Partie mit Thielemann durchzugehen?
Andreas Schager: Ja, ich habe unter anderem sowohl mit ihm selbst über manche Detailfragen gesprochen, als auch mit Jendrik Springer, seinem Assistenten – der glücklicherweise zugleich Studienleiter der Staatsoper ist –, das Werk durchgearbeitet. Springer weiß genau, wo Thielemann verzögert, vorwärtsgeht, wo er atmet und Ähnliches. Aber das eigentliche Einstudieren der Partie beginnt schon viel früher, rund ein Jahr vor der Aufführungsserie. Natürlich ist der Kaiser keine so gewaltige Partie wie der Tristan, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es immer eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, bis man überblickt, was Strauss im jeweiligen Fall gemeint hat, ausdrücken wollte – erst nachdem ich seine Rollen zum dritten oder vierten Mal intensiv durchgehe, werden die Strukturen hinter der Komposition klar. Es ist vergleichbar mit dem Erlernen einer Fremdsprache, es dauert, bis man sie frei beherrscht.

Die Fremdsprache Kaiser beherrschst Du jetzt, die Arbeit ist getan – worauf freust Du Dich bei diesem Rollendebüt nun am meisten?
Andreas Schager: Auf die großen Kantilenen des Kaisers, um die ihn viele Kollegen auf der Bühne oft beneiden, oder anders ausgedrückt: einfach auf diese wunderbare, große Musik!

Das Gespräch führte Andreas Láng


Die Frau ohne Schatten | Richard Strauss
10., 14., 18. Oktober 2019

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