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LE GRAND MACABRE

GYÖRGY LIGETI

»Zynisches Scherzo«

JAN LAUWERS

OPER in zwei Akten
Text MICHAEL MESCHKE & GYÖRGY LIGETI
nach LA BALADE DU GRAND MACABRE
von MICHEL DE GHELDERODE


Musikalische Leitung  PABLO HERAS-CASADO
Inszenierung, Choreographie & Bühne  JAN LAUWERS
Kostüme  LOT LEMM
Licht  KEN HIOCO
Ko-Choreographie  PAUL BLACKMAN

Nekrotzar  GEORG NIGL
Chef der Gepopo / Venus  SARAH ARISTIDOU 
Fürst Go-Go  ANDREW WATTS

Amanda  MARIA NAZAROVA
Amando  ISABEL SIGNORET 
Astradamors  WOLFGANG BANKL
Mescalina  MARINA PRUDENSKAYA
Piet vom Fass  GERHARD SIEGEL
Weißer Minister  DANIEL JENZ
Schwarzer Minister  HANS PETER KAMMERER


Einführungsmatinee 5. NOVEMBER 2023
Erstaufführung an der Wiener Staatsoper 11. NOVEMBER 2023
Premierenserie 11. / 14. / 17. / 19. / 23. NOVEMBER 2023


In Zusammenarbeit mit NEEDCOMPANY.

ZU DEN TICKETS

Angesagte Weltuntergänge finden in der Regel nicht statt. Mit seiner einzigen Oper Le Grand Macabre gelang György Ligeti ein großes und diskursives Welttheater, in dem die ungeschminkte Conditio humana mit all ihren Trieben und Schwächen nichts weniger als eine bevorstehende Apokalypse zu Fall bringt: In ein imaginäres, korruptes Schlaraffenland – das »verfressene, versoffene und verhurte« Breughelland – platzt eines Tages der Tod alias Nekrotzar alias der dämonische Große Makabre, um die unmittelbare Zerstörung der Welt und der frivolen Menschheit zu verkünden. Durch die ihm unbekannten Gelüste des Lebens verführt und überwältigt, stirbt am Ende aber ausschließlich Nekrotzar selbst. Alle anderen gelangen zur Moral, dass ihr vorläufiges Überleben zur Beibehaltung des bis dahin geführten Lebenswandels genutzt werden sollte. 

Mit dem am 12. April 1978 an der Königlichen Oper Stockholm ur-aufgeführten Werk gelang György Ligeti ein groteskes Meisterstück, das nicht nur ein zentrales Werk im Schaffen des österreich-ungarischen Komponisten darstellt, sondern sich
weltweit dauerhaft im Repertoire verankern konnte. Durch ironische Distanz, Verfremdung und eine durchgehende Doppeldeutigkeit, die »den Ernst humoristisch und das Komische todernst nimmt«, wird das Grundthema der Oper – die notwendige Aufhebung der Angst und der Triumph des Eros – vor Augen und Ohren des Publikums entfaltet.
Inspiriert von Kafka, Jarry, Herzmanovsky-Orlando, von Goethes Faust, den mittelalterlichen Mysterien- spielen, aber auch der Pop-Art und Hieronymus Bosch, verfolgte Ligeti mit Le Grand Macabre die Idee eines »hyperfarbigen, comicartigen Geschehens, in dem die Charaktere und Bühnensituationen direkt, knapp gehalten, unpsychologisch, verblüffend und doch ganz sinnlich sein sollten.« Als Vorlage diente ihm das 1934 entstandene Schauspiel La Balade du Grand Macabre des Belgiers Michel de Ghelderode. Von daher rührt auch der französische Titel des im Original deutschsprachigen Librettos, das der Komponist gemeinsam mit dem Regisseur Michael Meschke verfasst hat.

Der stark synästhetisch veranlagte Ligeti – er assoziierte Farben und Formen, aber auch Maschinen und physikalische Apparate mit musikalischen Vorgängen und umgekehrt Klänge und Geräusche mit Farben, Wörtern und Buchstaben – suchte in Le Grand Macabre zudem »die totale Verschmelzung von Handlung und Musik«, also ein Bühnengeschehen durch Musik. Eine bewusst verrückte und »übertriebene Musik« wohlgemerkt, die eine geradezu regelwidrige Orchestration auszeichnet. Neben der eher kleinen Streicherbesetzung, die das lyrische Element repräsentiert, finden sich im Instrumentarium eine Basstrompete, Mundharmonika, Trillerpfeifen, sechs Türklingeln und nicht zuletzt zwölf unterschiedlich gestimmte Autohupen, die fanfarengleich die Oper eröffnen und einerseits die kaputte, unlenkbare Welt von Breughelland symbolisieren und andererseits entfernt an die Monteverdi’sche Toccata zu L’Orfeo erinnern sollen.

Überhaupt bereichern Allusionen und verformte bzw. verfremdete Zitate aus der europäischen Kunstmusik die Partitur. Wobei Ligeti, der sich keiner Tradition verpflichtet fühlte, die romanische Opernmusik, konkret Verdi, Rossini, Offenbach, Rameau und eben Monteverdi, aber auch Mozart, Liszt, Schumann, Schubert, Strawinski deutlich näher lag als die »musikdramatischen Konzeptionen von Wagner, Strauss und Berg«, von denen er sich distanzierte. Eine zusätzliche Färbung erzielte Ligeti mit einer von ihm als artifizielle Folklore bezeichneten Zusammenführung unterschiedlichster Stilmaterialien: brasilianischer Samba, andalusischer Flamenco, bulgarische Rhythmen, ungarischer Verbunkos. Eingefasst ist dies alles durch einen spielerischen Umgang mit historischen Kompositionsformen. So kommen etwa Choräle, Spiegelkanon, Bourrée perpetuelle, Passacaglia und Ostinatobildungen zum Einsatz. In der Großform ist die gesamte Oper als gigantische Barform gestaltet: die ersten drei Bilder als vergleichbar lange Stollen, das vierte Bild als kürzerer Abgesang. Angesichts der Bühnenpraxis im täglichen Opernbetrieb und der Erfahrungen bei den ersten internationalen Aufführungsserien unterzog Ligeti die Partitur 1996 einer Revision, in der er die gesprochenen Textpassagen verringerte, manche Abschnitte neu ausarbeitete und stellenweise in die Instrumentation eingriff. Bei der Staatsopern-Erstaufführung wird diese gültige Fassung zu erleben sein.

SPOTIFY-PLAYLIST ZUR EINSTIMMUNG



Über die Playlist

Zur Erstaufführung des Avantgarde-Klassikers an der Wiener Staatsoper enthält die Playlist ausgewählte Szenen des Werkes in jeweils zwei Versionen: die Wiener Produktion der deutschsprachigen Erstfassung von 1978, die 1991 mit dem ORF-Symphonie-Orchester unter Elgar Howarth entstand, im direkten Vergleich zur englischsprachigen Version, die Ligeti für Aufführungen bei den Salzburger Festspielen 1997 erstellte und die sich vom Original wesentlich unterscheidet: ursprünglich gesprochene Szenen wurden auskomponiert, Instrumentalfarben verfeinert, allzu vulgäre Textpassagen gestrichen. Diese neue Fassung, die Esa-Pekka Salonen dirigierte, wurde in derselben Besetzung 1998 in Paris am Théâtre du Châtelet gegeben und mitgeschnitten.
 

Le Grand Macabre sollte als Meisterwerk in der Form eines zynischen Scherzos beschrieben werden.
Als Narr ohne Königreich streut Ligeti Salz in die Wunden des alten Kontinents. Wir leben in einem Europa, das sich rasend schnell verändert, und Zynismus ist wohl das letzte, das wir nötig haben. Zumal Humor häufiger die Waffe eines Feiglings als eine Tat des Optimismus ist. Doch Ligeti kann man kaum einen Feigling nennen. Im Gegenteil ist für ihn ein Libretto, in dem brutaler Sex, Komasaufen und3 das Ende der Zeit die Moral ausmachen, kein hedonistischer Zynismus, sondern eine ironische Ode an die Liebe. Er sagt:


»Es ist also der Triumph des Eros: wir leben, wir trinken, wir schlafen miteinander, aber all das ohne Ordnung, wie im echten Leben. Dieser Eros ist allerdings ziemlich erbärmlich, nicht ge- rade nett. Wir leben, aber das Leben ist nicht wirklich schön. Deshalb kommt dieses Ende dem Entwurf Ghelderodes sehr nahe. Wir erleben keinen echten Hedonismus, kein Glücklichsein. Der Schluss ist vielmehr traurig, sehr traurig. In meiner Version wird er durch die Musik aber auch ironisch. Der Text selbst ist es nicht, die Musik jedoch umso mehr: die Musik des Finales, diese Passacaglia – ist sehr konsonant, sehr hübsch, sehr rein.

Ich mag Dinge, die ins Extreme getrieben werden, denn ich mag das Extreme, die absolut wahnsinnigen Dinge, und dies ganz besonders in der Oper. Ich glaube, dass man für einen überzeugenden musikalischen Erfolg, bei dem der Text die Hälfte des Bildes ausmacht, alles auf die Spitze treiben muss, soweit wie irgend möglich.«

GYÖRGY LIGETI