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Unser Ensemble: Bryony Dwyer im Porträt

Aufführungsgeschichte schreiben zu dürfen hat schon etwas Besonderes und darf die Betreffenden durchaus mit etwas Stolz erfüllen. In der noch jungen Karriere von Bryony Dwyer zum Beispiel nimmt die Staatsopernerstaufführung von Adriana Lecouvreur, in der sie die Jouvenot verkörperte, einen nicht unwesentlichen Platz ein: Schließlich ist sie die erste Interpretin der genannten Partie im Haus am Ring, kann somit gewissermaßen auf eine eigene lokale Rollenkreation verweisen – und das bereits nach einer rund einjährigen Zugehörigkeit zum Ensemble.

2013 hatte ihre hiesige Laufbahn begonnen. Sie war, wie man es so schön sagt, eine Frischgfangte. Direkt nach dem Abschluss ihres Gesangsstudiums am Konservatorium in Sydney kam sie als vielversprechendes Talent nach einem strengen Ausleseverfahren bei einem Wettbewerb als Stipendiatin der Opera Foundation Australia an die Wiener Staatsoper, überzeugte in ihren ersten Auftritten und wurde nach Ablauf des Stipendienjahres in den fixen Sängerstab engagiert. Freilich, Bryony Dwyers Debüt als Papagena in der Zauberflöte für Kinder im Opernballambiente war, was ihr weder vorher noch nachher je wieder passierte, von einer ärgeren Lampenfieberattacke umrundet. „Meine Hände haben sichtbar gezittert und Hans Peter Kammerer, mein Papageno, musste geradezu psychologischen Notdienst verrichten, um mich wieder einigermaßen auf den Boden zurückzuholen“, erinnert sich die Sopranistin lachend. Doch diese Auftrittskinderkrankheiten waren bald überwunden und seither kann sie sich ihrer puren Freude am Auftreten, ja am gesamten Opernbetrieb hingeben. Diese Freude speist sich aus ihrer Liebe zur Musik, zum Gesang, zum Theater, zu den Menschen im Allgemeinen, weiters aus ihrem überschäumend positiv-fröhlichen, unverkrampften Grundcharakter. Und im Gegensatz zu manch anderem Kollegen, gehört Bryony Dwyer auch nicht zu den „empfindlichen Ausgaben“ ihrer Berufsspezies, die schon einen Tag vor dem Auftritt mit einem wärmenden Schal um den Hals und vollständig auf stumm geschaltet anzutreffen sind. „Ich war einige Jahre Mitglied der Royal Australian Navy und es konnte vorkommen, dass ich um drei in der Früh, im Dunkeln und im Regen zu singen hatte – da war wenig Raum für Indisposition und heikle Schonung“.

Die Freude am Singen hatte Bryony Dwyer auch zu ihrem heutigen Beruf geführt. Ursprünglich war sie zwar in die instrumentale Richtung aufgebrochen – als Klarinettistin und Saxophonspielerin konnte man sie für einige Jahre in diversen Bands und Orchestern erleben – doch schlussendlich wurden ihre vokalen Fähigkeiten entdeckt und die magnetische Anziehungskraft der Opernbühne übertraf jene des Konzertpodiums – die Musikerin mutierte zur Sängerin. Ihre Ensembletätigkeit an der Wiener Staatsoper war übrigens von einem zwei Spielzeiten umfassenden Engagement in Basel sowie Gastspieltätigkeiten in Köln und beim Holland Festival im Amsterdam unterbrochen, wo sie ihr Repertoire erweiterte und zusätzliche Erfahrungen sammeln konnte. Mit dem 1. September aber ist sie nun endlich wieder nicht nur fix an das Haus am Ring zurückgekehrt, sondern zugleich in jene Stadt, die sie zur ihrer europäische Heimat erkoren hatte: nach Wien. Das einzige, was ihr hier abgeht ist das Meer: „Als gebürtige Tasmanierin war ich quasi vom Ozean umgeben und konnte dort meinen Leidenschaften Tauchen und Segeln fast unbegrenzt nachgehen. Aber immerhin, zwei weiteren Hobbies kann ich weltweit frönen, egal wo ich mich aufhalte: ich lese gerne und ich bin ein Formel-1-Rennen-Fan – Red Bull Racing lässt grüßen!“

Angetan hat es ihr auch der Wienerwald in dem sie sich stundenlang wandernd emotional wieder für die Bühne auftankt. „Dame Joan Sutherland meinte einmal, dass 20% der Gefühlswelt eines Sängers von Eis erfüllt sein müsste, um der Gefahr zu entgehen, von den traurigen Partien hinuntergezogen zu werden. Ich bin kein Eis-Typ, aber ich muss genügend Lockerheit und Glück in mir tragen, damit ich von den Rollen-Stimmungen nicht vereinnahmt werde. In der Natur kann ich diese notwendigen Glücksreserven wieder auffüllen.“

Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen, gibt Bryony Dwyer ohne zu zögern Einblick in ihre private Singwerkstatt: Auf die Frage, wie sie sich denn auf neue Rollen vorbereiten würde, zieht sie aus ihrer Tasche ein kleines, zur Hälfte vollgeschriebenes Heftchen hervor, in dem sie in die erste Spalte alle Klavierauszugseiten einer neuen Partie einträgt. Die zweite Spalte ist mit Stricherl-Listen gefüllt, die anzeigen, wie oft sie eine bestimmte Seite schon durchgeübt hat. „Zehn Mal, dann sitzt es und ich kann einen Schritt weitergehen – dieses System ist langwierig, aber extrem effektiv, ich habe es vom australischen Bariton Barry Ryan, meinem ehemaligen Lehrer in Sydney, übernommen.“

Zuletzt arbeitete Bryony Dwyer privat mit Ramón Vargas, der sie an das lyrische Belcantorepertoire herangeführt hatte – dementsprechend umfassen die Zukunftshoffnungen neben den Mozart-Schelminnen Susanna und Despina auch die Puritani- Elvira oder – ein bisschen als Krönung des Ganzen – die Lucia di Lammermoor. Zunächst aber wird sie neben der Elvira in Rossinis L’italiana in Algeri wieder „ihre“ Jouvenot in der Adriana Lecouvreur geben – diesmal an der Seite von Anna Netrebko.

Andreas Láng