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Eine Farbe im Gesamtklang

Seit seinem Debüt als Rheingold-Wotan im Jahr 2001 kehrt Alan Held, der US-amerikanische Bassbariton mit deutschen Vorfahren, in regelmäßigen Abständen nach Wien zurück – hatte man ihn im Oktober unter Franz Welser-Möst im Musikverein in Janáčeks Schlauem Füchslein erleben können, so singt er im November viermal an der Staatsoper den Jochanaan in Strauss’ Salome.

Sehr geehrter Herr Held, Jochanaan singt großteils aus dem Off und wenn er endlich die Bühne betritt, kann er szenisch auch nicht gerade allzu aktiv werden. Wie macht man ihn dennoch als Figur plastisch?

Alan Held: Es stimmt, zunächst ist man in dieser Partie nur Stimme und wenn man endlich, von allen erwartet, auftaucht, sollte man augenblicklich eine Persönlichkeit kreieren. Nur darf man die Theaterpranke von Strauss in diesem Zusammenhang nicht vergessen – und die hat hier eine meisterhafte Rolle geschaffen. Die eigentliche „Auftrittsmusik“ Jochanaans, also jene Musik, die aus dem Graben erklingt wenn er aus seinem Verlies kommt, formt bereits den Charakter, der Zuschauer meint ihn dadurch schon gut zu kennen bevor er wirklich sichtbar wird. Und der nachfolgende Dialog zwischen Salome und Jochanaan ist so bewegend, so tiefgehend – da kann die Figur gar nicht nicht plastisch werden. Das Singen aus dem Off ist übrigens gar nicht so ungefährlich: So ganz für sich allein, dort unter der Szene – da muss man höllisch achtgeben um am Ball zu bleiben, sonst verliert man leicht die Konzentration und dann ist der nächste Einsatz schon verpasst (lacht).

Jochanaan ist, zumindest seitens der Zuschauer, ein Sympathieträger …

Alan Held: Klar, eine biblische Figur die unschuldig im Kerker sitzt und in Kürze den Kopf verlieren wird – das löst automatisch Mitleid und Sympathien aus …

Sie singen den Jochanaan nun schon seit vielen Jahren – hat sich in Hinblick auf die musikalischen Herausforderungen etwas für Sie persönlich verändert?

Alan Held: Nun, vor 30 Jahren, als ich den Jochanaan zum ersten Mal sang, empfand ich die Rolle als sehr schwer, schon deshalb weil erstens meine Stimme keinerlei heldenbaritonale Anstriche besaß und zweitens weil ich dem Irrtum unterlag, über das mächtige Orchester drübersingen zu müssen. Heute ist der Jochanaan ein wunderbarer und dankbarer Teil meines Repertoires. Wenn man die Partitur genauer durchforstet – das gilt übrigens für alle Strauss- und Wagner-Werke – so wird man erkennen, wie meisterhaft die Gesangslinie in den Gesamtklang eingewoben ist. Man ist quasi eine Farbe und nicht ein Gegenstück zum Rest. Ich habe also gelernt, Teil des Orchesters zu werden – dadurch funktioniert es perfekt.

Hofmannsthal versuchte den Unterschied zwischen der Salome und Elektra in der Farbigkeit der jeweiligen Atmosphäre zu begründen: Salome ist seiner Meinung nach eher violett-pupur und Elektra schwarz-weiß. Sie haben auch in Wien den Jochanaan und den Orest verkörpert. Wie denken Sie über diese Farb-Klassifizierung?

Alan Held: Hm, ich denke eigentlich nicht in Farben, sondern sehe im Sinne Wagners eher das Gesamtkunstwerk vor mir, in dem Charaktere und Beziehungen lebendig werden. In Wahrheit sind sowohl Jochanaan wie Orest sehr reale Personen in die man sich hineinleben kann, wobei das natürlich im Falle des Orest etwas schwieriger ist (lacht).

Und wie sieht es diesbezüglich beim Kaspar aus, den Sie im Juni bei der Freischütz-Neuinszenierung verkörpern werden?

Alan Held: Ich bin noch sehr auf der Suche (lacht). Deshalb mag ich Salome ja so sehr, weil die meisten Rollen für Bassbaritone bad guys sind und Jochanaan eine wohltuende Ausnahme darstellt.

Welche Stelle berührt sie in der Salome am meisten?

Alan Held: Jochanaans Arie „Er ist in einem Nachen“. Strauss baut davor Spannung über Spannung auf und mit einem Mal kommt diese wunderbare ruhige Passage, die plötzlich eine Art Befreiung ausstrahlt. Hier wird also die inhaltlich gemeinte Befreiung durch Christus von Strauss in Musik umformuliert. Sehr effektvoll ist auch dieses „Niemals“ wenige Seiten vorher, nachdem Salome wiederholt den Wunsch geäußert hat seinen Mund küssen zu dürfen: Das Orchester taucht unter im dreifachen p, aus dem Graben raunt es nur mehr kaum hörbar herauf und dann dieses fast gesprochene „Niemals“ des Propheten. Sehr eindrucksvoll!

Sehr viele amerikanische Sänger sind im deutschsprachigen Repertoire zu Hause – warum?

Alan Held: Viele unserer Lehrer haben in Deutschland studiert und gesungen, in manchen Gebieten der USA, zum Beispiel dort wo ich herkomme, gab es viele deutsche Einwanderer und außerdem passt die deutsche Sprache einfach besser zum amerikanischen Idiom als etwa das Französische.

Sie haben auf Ihrer Webseite im Oktober sehr viel Schönes über das Cleveland Orchestra gesagt. Was fällt Ihnen zu den Wiener Philharmonikern ein?

Alan Held: Meine erste Zusammenarbeit mit diesen einzigartigen Musikern begann mit meinem Staatsopern-Debüt 2001. Es war wenige Tage nach 9/11, ich war entsprechend aufgewühlt, war auch nervös vor dem Auftritt – doch als der Vorhang aufging und ich das Orchester im Graben hörte, spürte ich mit einem Mal: Ich bin nicht allein, die machen das alles mit mir gemeinsam, es ist ein Miteinander. Und dieses Gefühl hat sich bewahrheitet und bis heute gehalten. Und warum? Weil kein Orchester im besten Sinn des Wortes mehr Musik produziert als dieses und daher das gemeinsame Musizieren gewissermaßen im Genom festgeschrieben hat.

Sie unterrichten seit einigen Jahren – was konnten Sie von Ihren Schülern lernen?

Alan Held: Ich betone immer, dass das Singen aus mir einen besseren Lehrer, und das Lehren einen besseren Sänger gemacht hat. Meine Karriere währt mit Sicherheit deshalb so lang, ich fühle mich deshalb immer noch so frisch, weil ich vom Unterrichten profitiere. Um den Studenten zu erklären, wie ich dieses oder jenes technische Problem lösen würde, muss ich vieles, was bei mir vielleicht ganz automatisch funktioniert, analysieren. Das stellt mich aber zugleich auf festeren Grund und macht mich auf der Bühne unabhängiger vom Zufall.

Was bringt sie nach Proben oder Vorstellungen wieder herunter auf den Boden der Realität?

Alan Held: Sie werden lachen: Basketball! Ich treffe mich auch gerne mit Freunden, schreibe des Öfteren, höre vielleicht Musik – aber die beste Wirkung erzielt: Basketball!

Wenn es die Möglichkeit gäbe, welche Frage würden Sie Richard Strauss stellen?

Alan Held: Ich würde ihm erstens danken, dass ihm meine Stimmlage näher lag als jene der Tenöre (lacht) Was würde ich ihn fragen? Wahrscheinlich Folgendes: Warum er so gar nicht an der Zweiten Wiener Schule angestreift ist, was er gesehen hat, was ihn bewogen hat, nach der Elektra wieder tonaler zu werden. Ja, ich glaube, das würde mich am meisten interessieren.

Andreas Láng


Salome | Richard Strauss
16., 19., 22., 25. November 2017
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