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Das Persönliche ist am Überzeugendsten

Vom Publikum, den Orchestern und Sängern geliebt gilt Adam Fischer international gleichermaßen als Spezialist für das italienische sowie deutsche Fach, die Wiener Klassik, aber auch für einen Johann Strauß. Nach drei Nozze-Dirigaten im Oktober, drei Zauberflöten im Dezember tritt er nun im Jänner und März mit Don Giovanni und im April erneut mit dem Figaro ans Pult des Staatsopernorchesters. Zeit für ein Gespräch über Mozart, die Opera buffa, Aufführungstraditionen und den persönlichen Zugang zu den großen Meisterwerken.

Eine oft diskutierte Frage: Don Giovanni ist als dramma giocoso betitelt, Nozze di Figaro als Opera buffa. Was ist der Unterschied?

Adam Fischer: Ich sehe mich nicht als Fachmann in Bezeichnungsfragen. Sicher ist, dass die Opera buffa andere musikalische und formale Regeln von den Komponisten verlangt hat als die Opera seria und diesbezüglich waren Opera buffa und dramma giocoso identisch.

Ist der dramatische Beginn von Don Giovanni unter Anführungszeichen gesetzt zu verstehen, hat Mozart auch diesen d-Moll-Beginn als komisch, als lustig angesehen?

Adam Fischer: Zum einen dürfen wir bei Mozart nicht vom romantischen Dur-Moll-Verständnis ausgehen. Die Es-Dur Arie der Elvira im 1. Akt – bei der es sich eigentlich um gar keine Arie, sondern um ein Terzett handelt – ist dem Wesen nach klarstes Dur, trotzdem herrscht nicht Fröhlichkeit, sondern pure Verzweiflung vor. Zum anderen bedeutet Opera buffa nicht, dass es sich um ein von der ersten bis zur letzten Note enorm humorvolles Werk handelt. Wie gesagt: Es geht um bestimmte gattungsspezifische Regeln. Eine Arie eines Edelmannes ist beispielsweise in der Seria-Oper ganz anders gestaltet als in der Buffo-Oper, im Vordergrund stehen somit Formen und stilistische Details. Was hingegen für Mozarts Zeitgenossen wirklich revolutionär war, ist der Umstand, dass es im Giovanni wie im Figaro Arien gibt, in denen nicht ausschließlich Stimmungen besungen werden, sondern auch die Handlung vorangetrieben wird. Das entsprach nicht den Gepflogenheiten – denn für den Handlungsverlauf hat man die Rezitative oder, von mir aus, die Ensembles benutzt, nicht aber die Arien.

Apropos Rezitative: Sind sie in den Da Ponte Opern wirklich so viel besser als im Titus?

Adam Fischer: Ja, natürlich sind die Secco-Rezitative von Mozart in den Da Ponte Opern qualitativ besser als jene von Süßmayer im Titus. Nur: Schlecht sind jene von Süßmayer auch wieder nicht. Mozart litt lediglich unter Zeitdruck und wenn Süßmayer ein Stümper gewesen wäre, hätte er ihm nicht gestattet die Rezitative für die Clemenza zu schreiben.

Wie sieht es mit der Tempodramaturgie in den Mozart-Opern aus? Woher weiß der Interpret, ob ein von ihm gewähltes Tempo den Intentionen Mozarts entspricht – damals gab es ja noch keine Metronom-Angaben.

Adam Fischer: Nun gut, das wissen wir in der Tat nicht ganz genau, wobei natürlich bereits die Vorschrift „alla breve“ oder das Gegenteil nämlich „4/4“ schon einiges an Aussagekraft besitzt. Aber wenn sie schon das Wort Tempodramaturgie verwenden, so gibt es diesbezüglich schon einen sehr interessanten Aspekt: Der Interpret muss unterscheiden zwischen einem Komponisten der gut Italienisch gesprochen hat und einem der schlecht Italienisch gesprochen hat.

Inwiefern?

Adam Fischer: In den deutschsprachigen Ländern hat sich andante, also „gehend“, als Bezeichnung für ein langsames Tempo etabliert – und so hieß die klassische Satzfolge in einem Konzert oder einer Symphonie allegro-andante-allegro, somit schnell-langsam-schnell. Nun gibt es auch die Tempovorschrift molto andante oder andante assai, plump übersetzt „sehr gehend“,„frisch gehend“. Was ist das nun: langsamer oder schneller als andante? Und hierhängt es von den Italienisch-Kenntnissen des Komponisten ab. Für Mozart zum Beispiel, der fließend Italienisch sprach, war andante assai oder molto andante eindeutig schneller als andante.

Nun hat sich nicht nur, aber ganz besonders in der Interpretation der Werke der Wiener Klassikin den letzten Jahren sehr viel getan. Was tut ein Dirigent mit all den unterschiedlichen Strömungen die auf ihn einwirken, mit den kritischen Ausgaben, die zum Beispiel andere Phrasierungsvorschriften aufweisen, als die bisher gewohnten?

Adam Fischer: Wir haben jetzt einen Wiener Mozartstil konkretisiert, der genau festlegt, wie man Vorschläge, Verzögerungen ausführt, mit agogischen Fragen umgeht. Aber allgemein gültige Lösungen gibt es diesbezüglich nicht. Natürlich ist es wichtig, dass ein seriöser Interpret die zeitgenössischen Dokumente und theoretischen Schriften kennt – etwa die Briefe Mozarts in unserem Fall. Aber: Wenn jemand ein Tempo nur deshalb langsamer nimmt, weil er aus einem Buch herausgelesen hat, dass das so sein soll, dann geht er in die verkehrte Richtung. Man muss als Interpret überzeugend sein, man muss an das, was man tut, glauben – und – ganz wichtig, es muss ein persönlicher Weg sein, den man beschreiten möchte.

Gerade beim Giovanni hat man ja gewisse Wahlmöglichkeiten: Früher gab es die Tradition das Schlusssextett wegzulassen, auch heute noch stellt sich die Frage, ob man sich für Arien der Wiener Fassung entscheidet …

Adam Fischer: Das Hauptproblem bei Mozart ist, dass er seine Arien für bestimmte Sänger und deren Fähigkeiten und Stärken geschrieben hat. Wenn zum Beispiel der Sänger x bei einem bestimmten Ton nicht gut klang, hat Mozart in der Arie diesen Ton eben nicht hineingeschrieben. Nun stehen wir also vor der Aufgabe, für diese Maß-Arien Sänger zu finden, was ein wenig so ist, als ob man für einen bestehenden Maß-Anzug den dazu passenden Menschen suchen müsste. Deshalb gelten Mozart-Arien ja auch als schwierig. Und was den Schluss betrifft: Ich habe beides gemacht – mit Schlusssextett und ohne. Mein Fazit aus diesen Erfahrungen: Zulässig ist beides, nur geht man als Zuschauer einfach aus einem jeweils anderen Stück nach Hause. Es ist nämlich für die Gesamtwirkung ein Unterschied, ob das Ganze mit dem d-Moll der Höllenfahrt endet oder dem D-Dur des Sextetts.

Sie haben als Gründer und langjähriger Leiter der Österreich-Ungarischen Haydn Philharmonie das Schaffen Haydns intensiv kennen gelernt. Hat das Ihre Sicht auf Mozart nachträglich beeinflusst?

Adam Fischer: Doch, auf jeden Fall. Da die Werke Haydns weniger bekannt sind, gibt es bei ihm auch kaum Hörgewohnheiten, also war ich freier in der Interpretation und habe einmal mehr feststellen können, dass durch eine individuellere Umsetzung deutlich spannendere, lebendigere Aufführungen zustande kommen. Und mit dieser Erfahrung gehe ich jetzt auch an Mozart heran.

Das Gespräch führte Andreas Láng


Don Giovanni | Wolfgang Amadeus Mozart
23., 26., 29. Jänner 2017
2., 5., 9. März 2017
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Le nozze di Figaro | Wolfgang Amadeus Mozart
28. April 2017
2., 4. Mai 2017
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