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Das Gift der Viper

Nach seinem Erfolg mit der Oper Aida hatte Giuseppe Verdi lange geschwiegen. Mehr als eineinhalb Jahrzehnte entstand – bis auf Revisionen bestehender Opern und dem Requiem – nichts Großes, fast schien es, als hätte sich der größte lebende italienische Opernkomponist endgültig zur Ruhe gesetzt. Enttäuschung, die Liebe zu seinem Landgut in Sant’Agata, eine gewisse Resignation – viele Gründe könnte man anführen. Doch dann! Aus der Zusammenarbeit mit dem jüngeren Komponisten/Librettisten Arrigo Boito keimte eine neue Arbeit empor, noch einmal wollte sich Verdi am großen Shakespeare versuchen. Man plante, entwarf, arbeitete – und schuf ein Werk, das musikalisch neue Wege ging. Otello, uraufgeführt im Jahr 1887 in Mailand, war entstanden, das vorletzte musikdramatische Werk Verdis. Erzählt wird in dieser Oper die Geschichte des erfolgreichen Feldherren Otello, der an einer Intrige des dämonischen Konkurrenten Jago scheitert und sich von seiner Liebe, Desdemona, betrogen glaubt. Im Eifersuchts-Affekt tötet er sie und sich.
In der aktuellen Aufführungsserie der Wiener Staatsoper gestaltet KS Carlos Álvarez die Figur des Jago. Drei musikalische Passagen hebt er diese Rolle betreffend besonders hervor: das Brindisi, das Credo und die Erzählung des Traumes. „Diese drei Stellen machen Jago zu einem Meisterstück und bereiten mir große Freude an der Gestaltung“, erzählt Álvarez. „Im Brindisi braucht man Stärke und ein gutes Gefühl für Rhythmus; im Credo Akzente, unterschiedliche Farben für teils delikaten, teils sehr dunklen Ausdruck und in der Traumerzählung Schönheit und Delikatesse zum Erzeugen des subtilen Zweifels.“
Wie aber legt er den düsteren Bösewicht an? Gibtes etwa eine Verbindung zum ebenso dämonischen Scarpia, den Álvarez auch im Repertoire hat? „Es gibt eher Unterschiede zu diesem“, erläuterter. „Scarpia zeigt seine Grausamkeit und seinen Egoismus ganz offen, während Jago ja versucht, sich als normaler, freundlicher Kerl zu zeigen. Scarpia ist eine Anakonda, die ihr Opfer erwürgt, Jago hingegen ist eine raffinierte, giftige Viper. Das Verbindende ist, dass ich beide so schön wie möglich singen möchte, um sie so möglichst verwirrend zu gestalten!“
Und noch ein Vergleich: Der Bariton Victor Maurel war sowohl der Jago-Uraufführungssänger als auch der erste Falstaff. Wie verwandt sind die stimmlichen Herausforderungen dieser beiden Partien? „Beide gehören zum Typus der überaus wirksamen und vielgestaltigen Gesangspartien. Bei ersterem geht es um die Suche nach dem Tod, bei zweiterem ums Leben. Beide brauchen einen großen Stimmumfang, große Fertigkeiten – und auch eine Tendenz zum Schaustellertum.“
Ist es aber nicht auch emotional belastend, mit Scarpia und Jago immer wieder Bösewichter auf die Bühne zu hieven? Álvarez winkt ab: „Glücklicherweise kann ich – dank der Erfahrung im Beruf und auch nach einigen schweren Phasen in meinem Leben – diese Art der Schizophrenie kontrollieren. Also jenes seltsame Verwandeln in eine Person, die das Gegenteil von einem selbst ist. Es ist ein Privileg, diese großartig gezeichneten Charaktere geben zu können – auch wenn sie meistens der „bad guy“ sind. Und wenn man glaubt, dass diese zu singen bereits die Herausforderung ist, ebenso das Erschaffen ihrer Gefühle und Eigenschaften, dann muss man in sich schauen und die eigenen versteckten Dinge sehen, die einen menschlich machen, zu menschlich ...“

Oliver Láng


Otello | Giuseppe Verdi
6., 10., 13., 16. Februar
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